Weiter geht es mit William Kentridge

von Beat Sterchi 20. Januar 2016

Jetzt lese ich schon das ganze Jahr in einem dicken Buch und staune, wo es mich überall hinführt. Ich war schon im Kosovo, in Serbien, in Finnland und sogar in Langenthal. Eben nahm es mich mit in einen düsteren Wald in der Umgebung von Moskau. Dort sassen illegale Wanderarbeiter um ein Feuer beim Essen. Und hinter Zuckerrüben versteckt, bin ich in einem Güterwagen mitgefahren. Durch ganz Süd-Frankreich bis Genua. Dort habe ich Schwarzarbeiter beim Putzen begleitet.

Ich könnte auch erzählen, womit eine Juristin aus der Schweiz bei ihrem Stellenantritt am Internationalen Gerichtshof in Den Haag in Sachen Zeugenschutz so alles konfrontiert wird oder was man als Erntehelfer in Andalusien erleben kann, könnte ganz genau nacherzählen, was das tonnenweise Pflücken von Erdbeeren den Händen eines Menschen antut.

Ob in Rumänien oder in Serbien, irgendwie bin ich immer verdammt nah an diesem Europa, das gerade wieder mal ächzt und stöhnt, aber der Film in meinem Kopf geht immer noch weiter, mir werden immer weitere Leute vorgestellt, deren Bekanntschaft ich so leicht nicht machen würde, ich werde an Orte geführt, wo ich so leicht nicht hinkommen würde.

Möglich macht das ein ganz moderner Maxim Gorki, der allerlei auf sich nimmt, um mir berichten zu können, aus den verstecktesten Winkeln und finstersten Löchern unseres sonst so schönen Kontinents.

Oh, Sie kennen das Buch auch! Die Hauptfigur ist ein rasender Reporter und das Buch wurde sogar schon mal verboten. Es heisst Bergsteigen im Flachland und der Autor ist natürlich Urs Mannhart.

Ich weiss, es macht keinen grossen Sinn, öffentlich über Bücher zu schwärmen, denn das Privileg, Zeit und Musse zu haben, sich aufwendiger Lektüre hingeben zu können, ist nur ganz wenigen vorbehalten. Ich schwärme jetzt trotzdem.

Übrigens: Wussten Sie, dass es allen Strukturbereinigungen zum Trotz auch neue Buchläden gibt? So zum Beispiel an der Postgasse. Wer hätte das gedacht!

Und was hat William Kentridge damit zu tun? Dieser Johannisburger Star- und Spitzenkünstler ist zwar kein Europäer, aber er ist gerade wieder in der Baumausstellung bei Klee zu sehen und bei der Lektüre von Bergsteigen im Flachland habe ich schon etliche Male an seine Bilder gedacht.