Erdbeben & Erbschaften

von Balts Nill 21. Dezember 2015

Balts Nill spielt mit Instrumenten und Worten. Für Journal B stellt er kleine Karaoke-Vorlagen her, zu denen man am besten kurze Extrakte aus Zeitungen, Büchern etc. liest (oder singt oder pfeift).

Im Bauch der Erde rumort es gewaltig. Steinerne Eingeweide schieben sich mahlend voreinander, erbeben so lange, bis die Spannung entweicht. Das Zentrum der irdischen Qualen liegt hundert Kilometer weit entfernt und zwanzig Kilometer  tief unter der Haut. Als sich die aufgestaute Energie  des angespannten Gesteins schliesslich entlädt, breitet sich ein Teil der wilden Kraft als Wellen aus, die die Erde erschüttern.

Aus: David G. Haskell, Das verborgene Leben des Waldes, Verlag Antje Kunstmann, S. 123

Sobald die Kapitalrendite (r) deutlich und dauerhaft grösser ist  als die Wachstumsrate (g) , überwiegt fast unvermeidlich die Erbschaft, also das aus der Vergangenheit stammende Vermögen, die Ersparnis, also das aus der Gegenwart stammende Vermögen. Unter einem strikt logischen Gesichtspunkt  könnte es sich auch anders verhalten, aber die Kräfte, die eine Entwicklung in diese Richtung vorantreiben, sind ausserordentlich stark. r > g – das heisst in gewisser Weise, dass die Vergangenheit sich anschickt, die Zukunft zu fressen. Die aus der Vergangenheit stammenden Reichtümer vermehren sich ohne Arbeit schneller als die Reichtümer, die durch Arbeit geschaffen und angespart werden können.

Aus: Thomas Piketty, Das Kapital im 21. Jahrhundert, Verlag C.H. Beck, S. 502