Der Stadtrat macht Pause

von Willi Egloff 26. April 2020

«Der Stadtrat wählt, setzt Recht, entscheidet über bedeutende Ausgaben und beaufsichtigt den Gemeinderat und die Verwaltung», heisst es in der Gemeindeordnung der Stadt Bern. Zurzeit tut er gerade gar nichts von alledem. Er macht Corona-bedingt Pause. Seine letzte Sitzung fand am 12. März 2020 statt.

Klar: Es gilt ein bundesrätlich verordnetes Versammlungsverbot, es gibt im Stadtrat zahlreiche Personen, die zu einer Risikogruppe gehören, es gibt eine verbreitete Angst vor Ansteckungen. Aber ist das für ein zentrales politisches Organ Grund genug, einfach den Betrieb einzustellen? Ist der Stadtrat ein Schönwetterparlament, dessen Tätigkeit man bei Regen einfach mal aussetzen kann wie den allwöchentlichen Sonntagsspaziergang?

Ich bin wirklich froh, dass unser Gesundheitswesen nicht nach diesem Muster funktioniert. Man stelle sich vor: Alle Spitäler, Pflegeheime, Arztpraxen, Geburtskliniken usw. geschlossen und vor der Tür ein Schild: «Wegen Versammlungsverbot und Ansteckungsgefahr nicht in Betrieb». Ein Aufschrei würde durch das Land gehen. Warum passiert das nicht auch, wenn die zentralen Einrichtungen der Demokratie, nämlich die Parlamente auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene einfach mal ihren Betrieb einstellen? Ist denn das Funktionieren der Demokratie weniger wichtig als die körperliche Gesundheit?

Natürlich steht die Stadtpolitik im Moment nicht im Brennpunkt der Ereignisse. Die wichtigsten Massnahmen wurden auf Bundes- und Kantonsebene beschlossen und müssen daher von den dortigen Parlamenten beaufsichtigt werden. Aber es ist ja nicht so, dass auf städtischer Ebene politisch nichts passiert. So hat der Gemeinderat ein Sparpaket mit Massnahmen beschlossen, die vor allem für Personen in prekären Lebensumständen sehr einschneidend sein werden. Warum äussert sich der Stadtrat als Aufsichtsbehörde zu diesen wichtigen Themen nicht? Oder findet er die Stossrichtung dieser Massnahmen einfach nur toll? Das ist angesichts der rot-grünen Mehrheit im Stadtrat eigentlich nicht anzunehmen.

Immerhin zeichnet sich ein Lichtblick ab: Am 14. Mai soll in der Wankdorf-Turnhalle wieder eine Sitzung des Stadtrats stattfinden. Dabei hat die Verwaltung vorgegeben, dass die Mitglieder bis zu diesem Termin nur Anfragen einbringen dürfen, welche sich auf die Corona-Pandemie beziehen. Die Kontrollierten bestimmen also, womit sich die Kontrolleurinnen und Kontrolleure befassen dürfen und womit nicht. Ich habe das in der Gemeindeordnung anders gelesen.