Die Bern-Utopie von Franziska Teuscher (GB)

von Dinu Gautier 20. Oktober 2012

Franziska Teuscher, Gemeinderatskandidatin Grünes Bündnis, berichtet aus ihrer utopischen Zukunft: Mieterinnen, Ausländer und Kinder bestimmen mit. Die Häfte der Wegstrecken wird mit dem Velo zurückgelegt.

«Die Menschen, die in Bern leben, haben im Vergleich zu den 2010er-Jahren einiges an Selbstbestimmung gewonnen. Etwa beim Wohnen, einem sehr wichtigen Faktor, wenn es um Lebensqualität geht.

Mieter planen

Früher wurden neue Häuser und Quartiere zunächst einmal gebaut. Dann wurden Mieterinnen und Mieter gesucht. Heute ist eine Planung unvorstellbar, bei der die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner nicht Teil des Projekts sind. Welche Begegnungsräume, welche Kultur- und Sportinfrastruktur benötigen sie? Wer braucht in der Siedlung einen Arbeitsplatz? Und so weiter. Wird der Umbau eines Schulhauses geplant, dann werden auch die Kinder befragt. Allgemein gilt: Wer hier wohnt, der bestimmt mit – egal, ob jemand einen Schweizer Pass hat oder nicht.

«Wer hier wohnt, der bestimmt mit.»

Franziska Teuscher, GB

Die Mitwirkung der Bevölkerung ist auch in den bereits länger bestehenden Quartieren stark zu spüren. In der Länggasse beispielsweise wurde auf Wunsch der Anwohnenden einerseits mehr Grünfläche geschaffen, andererseits erfreut sich das Urban Gardening – einst als Trend von New York nach Bern übergeschwappt – in der ganzen Stadt grosser Beliebtheit. Die urbanen Gärtnerinnen und Gärtner bepflanzen brachliegende Flächen, ebenerdig oder auf Dächern. Es geht dabei weniger um Selbstversorgung als um gemeinsames Gestalten des Raumes.

Kostenmieten

Einen Systemwechsel gab es bei den Mieten. Heute sind Kostenmieten verwirklicht. So konnte einerseits die Spekulation eingedämmt werden, andererseits sind die Quartiere stärker sozial durchmischt als früher.

Ökologisches Bauen und Leben ist selbstverständlich geworden. Neubauten sind Nullenergiehäuser, es gibt dezentrale Anlagen zur Energierückgewinnung und zum Recycling. Noch 2012 war ein Drittel der Energie in der Stadt ineffizient genutzt worden. Das dem nicht mehr so ist, hat mit dazu beigetragen, dass Bern heute vollkommen unabhängig von Atomstrom ist. Dass das AKW Mühleberg längst vom Netz ist, dürfte klar sein. Bern ist eine Solarcity. Vorbild auf dem Weg dahin war das österreichische Linz.

«Früher hatte man den Schnee von den Strassen auf die Velowege geräumt.»

Franziska Teuscher, GB

Ein wichtiger Beitrag zum Energiesparen ergibt sich auch aus der Verkehrsnutzung der Stadtbevölkerung: Die Wege sind durch die Mitwirkung bei der Planung ohnehin kürzer geworden. Darüber hinaus wurde der ÖV ausgebaut. Dabei ging es in erster Linie darum, Leute zu erreichen, die früher noch zu weit von den Hauptstrassen und damit von den Bus- und Tramlinien entfernt wohnten.

Deutlich über die Hälfte der Strecken in der Stadt werden per Velo zurückgelegt. Kürzlich hat die Stadt damit sogar das lange Zeit als Vorbild gehandelte Kopenhagen übertroffen. Dass dieses Ziel erreicht werden konnte, hatte viel mit einem Philosophiewechsel in der Verkehrsplanung zu tun. Klar: Die Velowege mussten verbreitert werden. Aber am wichtigsten war ein neuer Grundsatz. Heute heisst es: «Velo first.» Noch in den Wintern Anfang der 2010er-Jahre hatte man den Schnee von den Strassen auf die Velowege geräumt. Heute ist es andersrum. Autos sind nicht etwa verboten – gerade für den Warentransport sind sie noch immer nötig – den Leuten liegt bei der Wahl des Verkehrsmittels aber zunehmend der ökologische und soziale Gesamtnutzen und weniger die individuelle Bequemlichkeit am Herzen.

Besiegte Armut

In Bern wohnen 145’000 Menschen. Was sehr wichtig ist: Armut gibt es praktisch nicht mehr. Einerseits führten Mindestlöhne zu diesem Ziel, andererseits gibt es gute Sozialleistungen. Vergessen die Zeiten, als noch 12 Prozent der Kinder in der Stadt in Armut aufwuchsen.»