Kurdinnen und Kurden sprechen Kurdisch

von Willi Egloff 18. März 2021

Drei kurdische Kulturvereine wenden sich mit einer Partizipationsmotion an den Berner Stadtrat. Sie verlangen, dass städtische Informationen, die ohnehin schon in mehreren Sprachen übersetzt werden, in Zukunft auch auf Kurdisch publiziert werden.

Bernerinnen und Berner sprechen ganz verschiedene Sprachen. Auf der offiziellen Webseite der Stadt werden sie in nicht weniger als 12 Sprachen begrüsst und über die wichtigsten Alltagsgeschäfte informiert. So können Merkblätter nicht nur in den schweizerischen Amtssprachen und in weiteren europäischen Sprachen abgerufen werden, sondern auch in Arabisch, Tamilisch oder Tigrinya. Zusätzlich werden die Informationen auch in der sogenannten «Leichten Sprache» und in Gebärdensprache kommuniziert.

Obwohl die Kurdinnen und Kurden eine grosse Migrationsgruppe in der Stadt Bern bilden, fehlt Kurdisch in dieser Liste. Das hat vor allem einmal damit zu tun, dass Kurdinnen und Kurden in der Bevölkerungsstatistik gar nicht als einheitliche Gruppe erfasst werden, sondern ihren jeweiligen Herkunftsländern – in der Regel Iran, Irak, Syrien oder Türkei – zugeordnet werden. Es ist daher auch nicht genau bekannt, wie viele Kurdinnen und Kurden in Bern leben. Es sind aber mit Sicherheit mehrere tausend.

Die Sprache der Unterdrücker

Die oft zu hörende Annahme, dass Kurdinnen und Kurden in aller Regel zweisprachig seien und daher in den offiziellen Sprachen ihrer Herkunftsländer angesprochen werden könnten, trifft nicht zu. Zum einen gibt es in dieser Bevölkerungsgruppe, vor allem unter den älteren Menschen, zahlreiche bildungsferne Personen, welche die offizielle Sprache ihres Landes, insbesondere Arabisch und Türkisch, nur sehr mangelhaft sprechen und sie kaum lesen können. Das ist schon deshalb nicht erstaunlich, weil Kurdisch eine indoeuropäische Sprache ist und, abgesehen von übernommenen Lehnwörtern, keinerlei Ähnlichkeit mit Arabisch oder Türkisch aufweist. Eine ferne Verwandtschaft besteht nur zum ebenfalls indoeuropäischen Persisch.

Zum andern handelt es sich bei Arabisch und Türkisch um die Sprachen der jeweiligen Unterdrückerregimes, die den Kurdinnen und Kurden im Rahmen einer oft brutalen Assimilationspolitik aufgezwungen werden sollte. Sie wird von den Betroffenen nach Möglichkeit gar nicht oder sonst nur widerstrebend verwendet. Es wäre daher sehr viel sinnvoller und integrativer, diese Personen in ihrer ursprünglich erworbenen Sprache anzusprechen.

Wie der Sozialarbeiter und Grossrat der Grünen Bern, Hasim Sancar, ausführt, ist es «wichtig, dass alle Menschen Zugang zu wichtigen Informationen der Stadt in derjenigen Sprache haben, die sie am besten kennen». Nur so könne das Ziel einer «Stadt für Alle» erreicht werden. Deshalb findet er, der selber kurdische Wurzeln hat, es gut und richtig, in Zukunft wichtige Informationen in der Stadt Bern auch in kurdischer Sprache zu vermitteln.

Partizipationsmotion

Aus Anlass des kurdischen Neujahrsfestes stellen nun drei kurdische Kulturvereine den Antrag an den Stadtrat, wichtige Informationen in Zukunft auch in Kurdisch bereitzuhalten. Sie haben dafür das seit November 2016 in der Stadt Bern bestehende Instrument der Partizipationsmotion gewählt. Mit einer solchen Motion können 200 in Bern wohnhafte, aber nicht stimmberechtigte Personen ein politisches Anliegen, das im Kompetenzbereich der Stadt liegt, dem Stadtrat vortragen. Es wird in der Folge wie eine Motion des Stadtrates weiterbehandelt.

Wie die drei Vereine in einer Medienmitteilung festhalten, war es ihnen trotz Corona-Pandemie möglich, die erforderlichen 200 Unterschriften in kurzer Zeit zu sammeln. Sie bringen mit dem Vorstoss ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass Kurdinnen und Kurden nicht mehr länger auf ihre nationalstaatliche Herkunft reduziert, sondern als eigene kulturelle Minderheit wahrgenommen werden.