Schweigen schadet dem Vertrauen

von Christoph Reichenau 5. November 2020

Seit Covid-19 in der Schweiz herrscht und unser Leben wesentlich bestimmt, ist die Kommunikation der Behörden und der Fachleute ein zentrales Thema der Medien. Was sagen der Bundesrat, die Kantonsregierungen, die Ämter, die Expert*innen vieler Wissenschaftsbereiche? Wie sagen sie es, und wann? Die Art, wie wir informiert werden, ist wichtig. Darauf beruht unser Vertrauen in die Beurteilung der Lage und in die geforderten Massnahmen.

Es ist wichtig, dass die Medien die Kommunikation aufmerksam verfolgen. Zuweilen ist es hilfreich, dass sie diese beurteilen und kommentieren. Das hilft uns bei der eigenen Einschätzung.

Doch hier in Bern trübt ein besonderer Umstand das Vertrauen in die Urteilskraft der Tageszeitungen «Bund» und Berner Zeitung BZ. Während sie täglich beurteilen, was andere tun, schwiegen sie still über ihre eigene Lage und Zukunft. Sie schweigen über die Konsequenz, die das Zusammenlegen der beiden Redaktionen im April 2021 haben wird. Sie schrieben über sich, indem sie das Zürcher Online Blatt «Republik» zitierten in einer Mitteilung der Schweizerischen Depeschenagentur. Kein eigenes Wort bisher zur eigenen Sache. Kein Interview mit den Verantwortlichen der TX Group AG in Zürich. Kein Artikel über die Stimmung in den Redaktionen. Kein Einholen von Stimmen der Berner Politik, der Berner Wirtschaft, der Berner Kultur (es soll künftig weniger Besprechungen kultureller Anlässe geben). Keine Fragen an Abonnentinnen und Abonnenten.

Ist das Schweigen im Berner Blätterwald über die bevorstehende Zusammenlegung der Redaktionen  von «Bund» und BZ die Schuld der Journalistinnen und Journalisten? Sind sie verantwortlich dafür, dass ein brandaktuelles Thema unbesprochen bleibt? Nein. In ihrem Kreis ist wohl die Empörung so gross wie die Angst vor der eigenen Zukunft. Wer jetzt den Mund öffnet, dürfte sich «oben» unbeliebt machen. Oben in Zürich. Dort ist man weniger dem Journalismus, der Transparenz, der Wahrheitssuche, dem Hinsehen verpflichtet als der wirtschaftlichen Performance für die Aktionäre. Und diese scheint Schweigen zu gebieten.

Das Schweigen untergräbt das Vertrauen in die Medien, das gerade in der Krise besonders wichtig ist. Es schadet den Journalist*innen, die nicht arbeiten können, wie es das Handbuch von Tamedia verlangt und verspricht. Es schadet den Leserinnen und Lesern, die nicht erfahren, was gespielt wird. Und es schadet dem Ruf der Journalist*innen bei den Lesenden. Unverdient.

Um seine Journalistinnen und Journalisten nicht noch mehr zu schädigen müsste der Verlag transparent informieren über seinen Plan und den Redaktionen von «Bund» und BZ Rede und Antwort stehen. Wie wenn es um einen ganz normalen Vorgang in einem ganz normalen Unternehmen ginge. Das wäre fair gegenüber den Lesenden und gegenüber den eigenen Leuten. Diese leiden schon genug.