Mit Drachen gegen Kampfjets

von Urs Frieden 18. September 2020

Ein Kunstkollektiv mischt als Armee im Abstimmungskampf gegen Kampfjets mit.

Die Schnittmenge von Politik und Kunst ist ein offenes Feld, das zum Experimentieren, Provozieren, Ironisieren geradezu einlädt.

Noemi Scheurer (25) und Olivia Schneider (27) haben sich an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel mit anderen zum Kunstkollektiv «Politesse Publique» zusammengetan. Ausgangspunkt war der Bachelor-Studiengang «HyperWerk». Vor rund drei Jahren gründete das Kollektiv die «Schweizer Armee für Gemeinschaft und Frieden» (kurz SAGF) und sorgte danach immer wieder mit Aktionen für Gesprächsstoff.

Das Kollektiv verwende die Technik des Pre-enactements, sagen die beiden Frauen. « Mit der Frage: Was wäre wenn? entwerfen wir mögliche zukünftige Realitäten.» Es sei sinnvoll, nicht nur Geschichten über die Vergangenheit zu schreiben, sondern auch Zukunft zu erzählen und erproben. «Der künstlerische Zugang und die Freiheit der Kunst helfen uns, Aktionen umzusetzen und in den Dialog zu treten. Zum Beispiel über Sinn und Unsinn von Armeen.»

Die grosse Flugübung

So auch neulich auf der Grossen Allmend in Bern, mit einer Flugübung, die den miltärisch anmutenden Namen KJR-9-27 trägt. Es waren aber keine Kampfjets, sondern nur kunstvoll gestaltete Drachen, die da flogen.

Noemi und Olivia, beides Bernerinnen, sind mit dem Ergebnis zufrieden: «Bald gesellten sich Leute zu uns und wir kamen gut ins Gespräch.» Dass nebenan gerade die Alternativliga spielte, erleichterte natürlich die Kontaktnahme und die Diskussionen, wieso man Milliarden in Kampfflugzeuge verlochen sollte.

Zuvor hatte das Kollektiv die Flugshow an prominenter Stätte, beim Militär-Flugplatz Payerne, geübt und ein Video dazu erstellt.

Wie die Heilsarmee benutzt das Kunstkollektiv bewusst militärische Formen. «Wir haben aber keine Dienstgrade wie die Heilsarmee, sondern nur gleichberechtigte AdAs, Angehörige der Armee.» Das Kollektiv habe jetzt schon 27 solcher AdAs rekrutiert – unter anderem mit Sporttests. Die SAGF weiss auch, wie man zackige Protokolle schreibt. Zum Beispiel über das Treffen 2018 mit dem damaligen Armeechef Philippe Rebord.

Armeechef umarmt

Beim Treffen ging es darum, von Rebord Armee-Panzer zwecks Umnutzung zu erhalten. Denn an einem Workshop in Deutschland hatte die «Schweizer Armee für Gemeinschaft und Frieden» Ideen gesammelt, was man mit den vielen Panzern alles machen könnte. Zum Beispiel eine grosse Glättestation, wo zum Beispiel Bettdecken im grossen Stil gebügelt werden könnten. Sauber mit Zeichnungen dokumentiert im «Panzerkalender 2018».

Rebord konnte da natürlich nicht helfen, und schon gar nicht sofort. Er wollte aber mehr wissen über die SAGF. «Vermutlich checkte er ab, ob da eine neue GSoA heranwächst», vermuten die beiden. Und: Rebord habe empfohlen, einen anderen Namen als «Schweizer Armee für Gemeinschaft und Frieden» zu wählen. Denn der Begriff «Schweizer Armee» sei eigentlich dem VBS vorenthalten.

Am Schluss verabschiedeten sich die uniformierten AktivistInnen mit einer innigen Umarmung und baten den verdutzten Militär, dasselbe zu tun. Es klappte erstaunlich gut.

Vorbild Dätwyler

Doch der Name blieb trotz dieser Geste bis heute. Das Kollektiv marschiert weiter (um einen militärisch angehauchten Begriff zu verwenden), inspiriert vom Friedensapostel Max Dätwyler, dem Mann mit der weissen Fahne, nach dem im Nordquartier ein Platz benannt ist. Und der irgendwann auch nicht mehr aufzuhalten war.

Eigentlich mögen die beiden Uniformen überhaupt nicht. «Sie sind ziemlich unangenehm. Aber wir können auf diese Weise in Rollen schlüpfen und Positionen entwickeln.» Mit ihren künstlerischen Mitteln würden sie mit Vorliebe «Zwischenräume öffnen, die politische Fronten herausfordern und zu neuen Positionen einladen». Kurz: «Als Kunstkollektiv gewähren wir uns Freiheiten, die politische Organisation nicht haben.»

Auch die Freiheit, mit den Kampfjet-Milliarden ganz viele Drachen zu kaufen.