Die Heitere Fahne stellt ihre Existenz zur Diskussion

von Luca Hubschmied 20. Juni 2018

Aktuell läuft in der Stadt Bern die Vernehmlassung zur Kulturförderungsperiode 2020-2023 (wir berichteten). Dabei ist vorgesehen, das aktuelle Kulturbudget um 2.3 Millionen Franken auf insgesamt 34 Millionen zu erhöhen. In einer heute erschienenen Medienmitteilung fordert das Kulturlokal «Heitere Fahne» in Zukunft auch an dieser Förderung beteiligt zu werden. Dies, obwohl der Standort der „Heitere» unterhalb der Gurtenbahn in der Gemeinde Köniz liegt, etwa hundert Meter von der Berner Gemeindegrenze entfernt.

Das Kulturlokal feiert dieses Jahr sein fünfjähriges Jubiläum und will sich nun der Diskussion um öffentliche Kulturgelder stellen. «Was wir machen, funktioniert sehr gut», erklärt Olivier Eicher vom Betreiberkollektiv Freiraum, «aber nur weil wir alle, die hier arbeiten, uns selbst ausbeuten.» In der Heitere Fahne arbeiten gut 30 Personen, die viel Herzblut in das Haus stecken. Dazu kommen jährlich an die 100 Freiwillige, die helfen, den Betrieb aufrechtzuerhalten. So gelingt es, ein vielfältiges Programm auf die Beine zu stellen, im letzten Jahr fanden in der Heitere Fahne  83 öffentliche Kulturveranstaltungen statt.

Unterstützt wird die Heitere Fahne aktuell von der Gemeinde Köniz mit 15‘000 Franken im Jahr. Weit komme man damit nicht, erklären Rahel Bucher und Olivier Eicher von dem Kollektiv Freiraum. Zusätzliche Gelder fliessen von der subsidiären Kulturförderung des Kantons, dieser darf aber maximal den von der Gemeinde gesprochenen Betrag noch einmal sprechen. Von der Stadt Bern wird die Heitere Fahne nicht mit regelmässigen Betriebsbeiträgen unterstützt, da sie in der Gemeinde Köniz liegt. «Wir erhalten von der Gemeinde Bern zwar spezifische Projektbeiträge, etwa für das Theater Frei_Raum oder das Säbeli Bum Festival. Damit kann sich aber kein Kulturhaus tragen.», betont Olivier Eicher.

Je fünf Prozent Kulturgelder

Nun wollen die Betreibenden der Heitere Fahne auf ihre schwierige Lage aufmerksam machen, wie Rahel Bucher erklärt: «Wir liegen fast auf der Gemeindegrenze, was für uns ein Vorteil sein kann. Es ermöglicht aber beiden Gemeinden, sich aus der Verantwortung zu ziehen.» In der Tat stammen von den 25‘000 jährlichen BesucherInnen etwa 90% aus der Stadt Bern, ähnlich verhält es sich mit den auftretenden KünstlerInnen. Nach fünf Jahren Kulturbetrieb soll die Finanzierung jetzt zum Thema gemacht werden. «Wir wollen die Existenz unseres Hauses zur Diskussion stellen», sagt Rahel Bucher. Dazu startet die Heitere Fahne heute eine Aktion, in der sie von den 2.3 Millionen, um die die Stadt Bern ihr Kulturbudget erhöht, und von den 1.5 Millionen Kulturbudget der Gemeinde Köniz je fünf Prozent fordert. Im Rahmen der Aktion haben sich die Betreibenden der Heitere Fahne mit Briefen an die Verantwortlichen der beiden Gemeinden gewandt und eine Webseite aufgeschaltet, auf der BesucherInnen eintragen dürfen, was ihnen die Heitere Fahne bedeutet.

Auf Seiten der Gemeinde Köniz scheint der Wunsch nach mehr Förderbeiträgen zumindest bei Gemeindepräsidentin Annemarie Berlinger-Staub Gehör zu finden, wie sie verlauten lässt: «Die Heitere Fahne hat sich seit ihrer Eröffnung im Herbst 2013 sehr gut in Wabern und der Gemeinde Köniz etabliert. Sie belebt den historischen Ortskern auf beeindruckende Art und Weise und gibt Wabern mit dem nicht-kommerziell orientierten Kultur- und Gastrobetrieb einen wichtigen Begegnungsraum für die gesamte Bevölkerung.» Die Forderung nach grösserer finanzieller Unterstützung durch die öffentlichen Hände sei «nachvollziehbar». Berlinger-Staub verweist auch auf eine noch hängige überparteiliche Motion aus dem Könizer Gemeindeparlament, die genau das fordert. Die Motion soll diesen August behandelt werden. Unabhängig davon brauche es aber eine «sorgfältige Auslegeordnung aller von der Gemeinde Köniz im kulturellen und soziokulturellen Bereich finanzierten Leistungen», wie Berlinger-Staub schreibt. Die für die Kulturförderung der Stadt Bern zuständige Stelle (Kultur Stadt Bern) wollte mit Verweis auf die laufende Vernehmlassung keine Stellungnahme abgeben.

Vorzeigemodell kultureller Teilhabe

Aktuell dürfte der Heitere Fahne gelegen kommen, dass die Stadt Bern die «kulturelle Teilhabe» als Schwerpunkt für die nächste Kulturförderungsperiode definiert hat. Ein Thema, dem sich die Heitere Fahne seit ihrem Beginn angenommen hat. In der ehemaligen Brauereiwirtschaft werden regelmässig Veranstaltungen für und mit Menschen mit und ohne Behinderung angeboten und auch die Integration und Inklusion psychisch kranker und geflüchteter Menschen ist seit jeher ein wichtiger Bestandteil in dem Kulturlokal. «Wir zeigen mit unserem Schaffen wie die kulturelle Teilhabe funktionieren kann», sagt Olivier Eicher.

Die Bedeutung der Heitere Fahne für das lokale Kulturschaffen wird auch von Institutionen der Stadt Bern gewürdigt. So sagt Nicolette Kretz, Leiterin des Theaterfestivals AUAWIRLEBEN: «Die Heitere Fahne ist extrem wichtig, weil sie für mich der Kulturort ist, an dem am Meisten Unterschiedliches möglich ist. Es ist ein Freiraum auf hohem Niveau, der verschiedensten Formen Platz bietet und alles auf Augenhöhe behandelt. Die Heitere Fahne ist eine sehr bedeutende Ergänzung zu bestehenden Berner Kulturorten.» Auch Stephan Märki, Intendant von Konzert Theater Bern betont, dass es der Heiteren Fahne gelungen sei, einen neuen Ort für Theater und kulturelle Produktion zu etablieren und damit tatsächlich eine soziokulturelle Utopie zu verwirklichen. «Allein das ist eine große Bereicherung und Öffnung für die Berner Kulturszene, die sich zu bewahren lohnt – auch weil sie beweist, wie sehr sich künstlerische, intellektuelle und politische Offenheit in unterschiedlichen Ansätzen und Ideen produktiv ergänzen», schreibt Märki. Für Konzert Theater Bern sei die Heitere Fahne darüber hinaus ein inspirierender Ort und toller, verlässlicher Partner in der Zusammenarbeit.

Eine kreative Lösung

Mit ihrer Aktion wollen die BetreiberInnen der Heitere Fahne gemäss Rahel Bucher vor allem etwas erreichen: «Dass sich Bern, Köniz und der Kanton mit uns gemeinsam an einen Tisch setzen und wir zusammen eine Lösung erarbeiten.» Dass etwa der Stadt Bern die Hände gebunden sind, wenn es um die Forderung nach einem Betriebsbeitrag geht, lässt Rahel Bucher nicht gelten: «Es braucht eine kreative Lösung. Wenn der Wille da ist, sollte das doch möglich sein. Etwa, dass die Heitere Fahne als langfristiges Projekt definiert wird und wir jährliche und planbare Beiträge erhalten, die wir budgetieren können.»

So oder so hofft die Heitere Fahne jetzt endlich auf klare Verhältnisse. Aufhören sei für die motivierte Truppe am Fuss des Gurtens aber kein Thema, betont Rahel Bucher: «Unsere Leidenschaft zum heiteren Wirken ist ungebrochen.»