Die Frage des Timings – Zur Erweiterung des Kunstmuseums Bern (Teil 1)

von Christoph Reichenau 16. Februar 2020

Die Dachstiftung Kunstmuseum Bern (KMB) – Zentrum Paul Klee (ZPK) lässt die Betriebskosten des KMB nach Erweiterung wie auch jene des bestehenden ZPK analysieren. Der Architekturwettbewerb zum KMB wird ein Jahr später lanciert werden. Was bedeutet dies?

Am 10. September 2019 orientierten der Stiftungsrat und die Direktion der Dachstiftung Kunstmuseum Bern (KMB) und Zentrum Paul Klee (ZPK) über den Stand der baulichen Erweiterung des KMB. Sie stellten drei Lösungsansätze vor, die zwischen 55,3 und 82,4 Millionen Franken kosten (je +/- 25% Ungenauigkeit der Schätzung; 82,4 Millionen können so auf 103 Millionen anwachsen). Bis Ende Jahr sollten die Unterlagen für den Architekturwettbewerb fertig sein. Dies unter zwei Bedingungen: 85% der Finanzierung sollten gesichert sein; und man müsse wissen, wie der Verkehr auf der Hodlerstrasse vor dem KMB beruhigt werden könne.

Fünf Monate später

Fünf Monate später ist über die Erfüllung der Bedingungen nichts bekannt. Dagegen teilte die Dachstiftung am Freitag mit, sie erstelle bis Sommer 2020 eine umfassende Analyse der künftigen Betriebskosten. Für jedes der drei zur Diskussion stehenden Lösungskonzepte soll ein Team von SpezialistInnnen aus allen Fachbereichen den nachhaltigen Ressourceneinsatz (für Kälte, Klima, Heizung, Elektro) ermitteln, die Logistik und die Abläufe planen sowie die Kosten des Ausstellungsbetriebs, der Forschung, der Kunstvermittlung und der Gastronomie schätzen. Dies nicht allein für das KMB, sondern ebenso für das ZPK. Im technischen Bereich liegen die Grundlagen für eine Partnerschaft mit Energie Wasser Bern (ewb) vor. Die Fachleute des KMB werden zudem das künstlerische Konzept des «Kunstmuseums der Zukunft» konkretisieren.

Das Konzept wird in der Medienmitteilung vom Freitag so umschrieben: «Mehr Gegenwartskunst und historische Sammlung, mehr Kunstgenuss sowie mehr Dialog und Auseinandersetzung mit den Fragen der Gesellschaft sollen in lichten und offen konzipierten Räumlichkeiten das Kunstmuseum der Zukunft prägen. Im Zentrum stehen die Kunstvermittlung, die Begegnung und Bildung, eine attraktive Gastronomie und Zonen, in denen man sich einfach aufhalten kann. Dazu ein Research-Lab für Forschung und internationalen Austausch, Stärkung der Provenienzforschung und neue Räumlichkeiten für die konservatorische Pflege der über 50’000 Kunstwerke.»

Abhängigkeiten

Ab Sommer werden aufgrund der Kostenanalyse die drei baulichen Lösungskonzepte optimiert. Dies dauert ein paar Monate. Der Architekturwettbewerb kann folglich frühestens Ende 2020 gestartet werden. Frühestens dann, weil eine Abhängigkeit zum neuen kantonalen Polizeizentrum in Niederwangen besteht. Denn das Polizeigebäude Hodlerstrasse 6, das der Stadt Bern gehört, soll nach dem Auszug von Police Bern teilweise vom KMB mitbenutzt werden können.

Eine weitere Abhängigkeit besteht, wie erwähnt, von der Entscheidung über die Hodlerstrasse. Deren Verkehrsberuhigung soll eine Voraussetzung für die von Hansjörg Wyss in Aussicht gestellte Schenkung sein. Der Entscheid über die Hodlerstrasse und die Finanzierung von Massnahmen liegt bei der Stadt Bern. Ein Entscheid des Gemeinderats ist gefragt. Dieser ist nicht einfach: Um die Finanzen der Stadt steht es nicht zum Besten und heuer ist ein Wahljahr.

Wird der Architekturwettbewerb über das KMB im Frühling oder Sommer 2021 lanciert, kommt er in die zeitliche Nähe des Architekturwettbewerbs zum Grossprojekt «Museumsquartier Bern», an dem elf Kultur- und Bildungsinstitutionen des Unteren Kirchenfelds beteiligt sind. Was dann? Im Kanton Bern bestehen schon heute ein Bestellungsüberhang und ein Investitionsstau. Sind zwei Vorhaben im Bereich der Kultur, ja der Museen, beide in der Stadt Bern, politisch durchsetzbar? Verstehen dies die GrossrätInnen aus dem Jura, aus dem Oberland, zumal bald auch der neue Campus der Berner Fachhochschule in Bern errichtet werden soll? Was wird unternommen, um diese – sachlich meines Erachtens vollauf berechtigte – Häufung von Investitionen in der Hauptstadt nachvollziehbar zu machen?

Wettbewerbsverfahren und Zeitverhältnisse

Zum Architekturwettbewerb KMB: Das Verfahren sei mit den Architekturverbänden abgesprochen, heisst es lapidar in der Medienmitteilung. Dies treffe zu, erfährt man auf Nachfrage beim Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) Sektion Bern. Vorgesehen ist ein selektiver anonymer Projektwettbewerb nach der SIA-Norm 142. Dabei wird die Aufgabe öffentlich ausgeschrieben. Jedes Büro kann sich mit einem Dossier zur Vor-Qualifikation melden. Anhand eines Kriterienrasters wird eine Anzahl Büros bestimmt, die anschliessend am eigentlichen Wettbewerb teilnehmen können. Das Verfahren hält die Mitte zwischen einem Studienauftrag, der zu direktiv wäre, und einem Jekami, das angesichts der besonderen Anforderungen eines Museumsbaus zu offen erscheint.

Interessant ist, dass sich in der Medienmitteilung kein Wort dazu findet, weshalb die angekündigte Kostenanalyse erst jetzt an die Hand genommen wird. Eigentlich hätte ja der Wettbewerb Ende 2019 lanciert werden sollen. Man kann es positiv sehen: Lieber spät als nie. Man kann es problematisieren: Es scheint zäher als erwartet, Punkte zu bereinigen, die ausserhalb der Zuständigkeit der Dachstiftung liegen. So die Frage der Hodlerstrasse mit weniger Verkehr, so die Frage des Hauses Hodlerstrasse 6, so die Bereitstellung der Finanzen im Rahmen der engen kantonalen Investitionsplanung und der städtischen Finanzperspektive.

Zwischen den Zeilen der Medienmitteilung liest man, dass die künftigen Betriebskosten so niedrig wie möglich gehalten werden müssen. Das ist vernünftig, bloss: Wer seit Monaten vom «Kunstmuseum der Zukunft» schwärmt (siehe oben), muss für die Kunst höhere Betriebskosten annehmen. Sonst ist nicht zu leisten, was erreicht werden soll.

Trotz alledem: Man freut sich über den anhaltenden Optimismus und wünscht viel Glück. Und man zählt darauf, dass sich dermaleinst die ArchitektInnen an der Aufgabe abarbeiten und heute nicht erahnbare Ideen präsentieren werden auf diesem schmalen Terrain der Hodlerstrasse 6-12, Früchte des Wirklichkeitssinns.

Der Möglichkeitssinn freilich ermutigt, drei Fragen zu stellen: zum Ort, zum Zeitpunkt und zur Finanzierung. Mehr dazu morgen.