Koch oder Catering?

von Naomi Jones 24. Februar 2015

Seit Januar lässt die Stadt das Mittagessen für zwölf Betreuungsangebote von der Zürcher Firma «Menu and More» anliefern. In einem einjährigen Pilotversuch will sie Entscheidungsgrundlagen für die künftige Ernährungsstrategie in der städtischen Kinderbetreuung erhalten. Journal B hat sich in zwei Tagesschulen umgesehen.

Acht bis zehn Kinder kommen am frühen Morgen in die Tagesschule Bitzius. Die meisten haben ihr Frühstück schon zu Hause gegessen und spielen bis zum Schulanfang. Diese erste Schicht von sieben Uhr bis viertel nach acht bestreitet die Betreuerin Helena Rüegg. Dann hat sie Pause. Sie wird erst um elf Uhr wieder ins Schulhaus kommen, kurz vor der Mittagspause.

Die Tagesschule Bitzius erhält seit Januar das Mittagessen von der Catering-Firma «Menu and More». Die Zürcher Firma hat das öffentliche Ausschreibungsverfahren für den Berner Pilotversuch gewonnen. «Der Auslöser war die Sparquote, die wir letztes Jahr erhalten haben», erklärt Sven Baumann, Generalsekretär der Direktion für Bildung, Soziales und Sport der Stadt Bern (BSS).

Auch vorher kein eigener Koch

Die zwölf am Pilotversuch beteiligten Institutionen – Kitas, Tagesstätten für Schulkinder (Tagis) und Tagesschulen – haben ihr Essen schon früher von externen Catering-Anbietern erhalten. Sie hatten aber unterschiedliche Zulieferer und das Essen war von unterschiedlicher Qualität. «Wir fragten uns, ob wir mit einem einzigen Anbieter für alle nicht einen besseren Preis erhalten würden, als wenn mehrere Anbieter liefern. Ausserdem nutzten wir die Chance, Nachhaltigkeits- und höhere Qualitätskriterien zu definieren», so Baumann.

Eine Mahlzeit von «Menu and More» kostet sieben bis acht Franken pro Kind und erfüllt den hohen Standard, den das BSS gesetzt hat. Dazu kommt pro Mittag rund eine Arbeitsstunde für das Aufwärmen des Essens und das Abwaschen des Geschirrs. Laut dem Mahlzeitenkonzept des BSS vom letzten Frühling gab das Schulamt 2012 für selbst produzierte Mahlzeiten etwas mehr als 13 Franken pro Kind und Tag aus, wovon die Eltern aber nur 8 Franken bezahlten. Das Schulamt subventionierte also jedes Kind, das eine Tagesschule mit eigenem Koch besuchte, mit 5 Franken pro Tag.

Die früheren Cateringmahlzeiten kosteten laut dem Konzept nicht ganz 9 Franken. In die Berechnung der selbstproduzierten Mahlzeiten sind allerdings auch die Lebensmittelausgaben für Frühstück, Znüni und Zvieri eingeflossen, was den Betrag im Gegensatz zum Cateringpreis leicht erhöht.*

Sparen bei der Infrastruktur

In einigen Küchen von Berner Tagesschulen steht eine umfassende Sanierung an. Die Evaluation des Pilotversuchs soll eine Entscheidungsgrundlage dazu liefern, ob die Stadt in die Küchen investieren soll oder ob sie schrittweise auf Catering umstellen will. Heute unterhält die Stadt in 30 von 54 Kindertagesstätten und Tagesschulen eigene Küchen mit Personal. Im Mahlzeitenkonzept rechnet das BSS mit Sanierungs- und Neubaukosten für eine Profiküche von rund einer halben Million Franken.

Letztlich wird die Politik die Entscheidung treffen müssen. «Der Pilotversuch ist aber klar ergebnisoffen», sagt Sven Baumann. Die im Mahlzeitenkonzept veranschlagten Sanierungskosten scheinen ihm sehr hoch. «Wir wollen die Kosten für beide Modelle betriebswirtschaftlich sauber berechnen lassen. Doch auch Tagesschulleitende, Eltern und natürlich die Kinder sollen zu Wort kommen.»

Die Tagesschule Bitzius befindet sich in drei Klassenzimmern zuoberst im alten Schulhaus. In einem dieser Zimmer ist eine Haushaltsküche eingebaut: Zwei Kühlschränke, zwei Backofen mit je vier Herdplatten, eine professionelle Abwaschmaschine und ein Schüttstein. Die Catering-Firma «Menu and More» hat den Steamer und den zweiten Kühlschrank zur Verfügung gestellt. So reicht die Ausstattung für das sogenannte Regenerieren des gelieferten Essens oder um mit den Tagesschulkindern etwas Kleines zuzubereiten, etwa zum Backen in der Weihnachtszeit.

Gute Erfahrungen mit dem neuen Catering

Simon Stirnimann ist Leiter der Tagesschule Bitzius. Er bestellt das Essen für die Schule im Online-Shop von «Menu and More». Pro Tag stehen ihm vier Menus zur Auswahl. Von jedem Gericht kann er die Zutaten lesen und so auf Allergien oder kulturelle Gebote Rücksicht nehmen. «Wenn ein Kind eine Glutenallergie hat, bestelle ich ein anderes Gericht oder eine andere Beilage für dieses Kind. Auch für Vegetarier gibt es jetzt ein richtiges Menu und nicht bloss Pasta. Beim vorherigen Caterer hatten wird diese Möglichkeit nicht und wir konnten einem allergischen oder vegetarischen Kind manchmal bloss die Beilagen anbieten», sagt Simon Stirnimann. Das Essen wird dann dreimal in der Woche geliefert.

Lisa Wyss leitet die beiden Tagesschulen Pestalozzi und Munzinger. Sie kennt beide Modelle und möchte das Catering nicht verteufeln. Im Munzinger mache sie damit gute Erfahrungen. Da die Schule keine Profiküche habe, sei sie auf einen Lieferdienst angewiesen. «Menu and More» sei deutlich besser als der letzte Anbieter und einen gesunden, nachhaltigen Umgang mit Essen könnten die Betreuenden aktiv vermitteln, indem sie ab und zu mit den Kindern backen oder ein Zvieri zubereiten würden.

Das sieht auch Thea Rytz von der Fachstelle Prävention Essstörungen Praxisnah (PEP) so. In den Kursen «PEP – Gemeinsam Essen» schult sie Betreuer und Betreuerinnen aus Kindertagesstätten und Tagesschulen im Umgang mit Kindern beim Essen. Dies soll möglichen Essstörungen vorbeugen. «Ein gutes Catering und entsprechender Unterricht kann Kindern einen gesunden Umgang mit Essen vermitteln», sagt sie.

Küche als Herzstück der Schule

Trotzdem fände es Thea Rytz schade, wenn die bestehenden Schul- und Kitaküchen aufgehoben würden: «Sie sind oft das Herzstück der Schule als Lernort und können integrierende Funktionen wahrnehmen, etwa bei Kindern und Eltern aus andern Kulturen. Essen ist die einfachste Art, Gemeinschaften zu bilden.»

Im Pestalozzi-Schulhaus bekocht die Köchin Ruth Evers jeden Tag zwischen 50 und 120 Kinder. «Hier möchte ich auf meine Köchin nicht verzichten», sagt die Leiterin Lisa Wyss. «Ruth Evers ist für die Kinder eine Bezugsperson. Sie kennt sie alle, weiss, was sie mögen, und verwöhnt uns mit Selbstgebackenem. Sogar den Dreikönigskuchen hat sie selbst gemacht.»

Der Arbeitstag der Köchin beginnt um halb sieben Uhr und dauert, bis die Küche nach dem Mittagessen wieder sauber ist. An drei Tagen in der Woche arbeitet sie mit einer zweiten Köchin zusammen. Ruth Evers macht den Kindern, die vor Schulanfang in die Tagesschule kommen, ein Frühstück und beginnt sogleich mit Kochen. Ist um zehn Uhr die grosse Pause, riechen die Schulkinder schon das Mittagessen. Manche schauen zum Fenster rein: «Ich höre dann, ob sie sich auf das Menu freuen oder eher nicht», sagt die Köchin.

Bio und nachhaltig aus Zürich

Um elf Uhr beginnt für Helena Rüegg im Bitzius die zweite Schicht. Sie trifft sich mit Eveline Lanzrein. Die beiden Betreuerinnen besprechen sich kurz. Dann decken sie die Tische und holen das Essen für die Kinder aus dem Kühlschrank: Kohlrabi- und Karottensalat sowie eine Bouillonsuppe mit Ei in Beuteln aus Lebensmittelfolie. Die Mini-Calzones liegen in Kartonschalen, die – wenn sie nicht zu stark verschmutzt sind – in der Altpapiersammlung entsorgt werden können. «Wenn sie noch so sauber sind wie heute, verwende ich die Schalen zum Basteln mit den Kindern», sagt Helena Rüegg.

Sie schneidet die Salatbeutel mit der Schere auf und verteilt den Inhalt in bereitstehende Schüsseln. Die Suppe giesst sie in eine grosse Pfanne und die Pizza-Krapfen legt sie auf drei Backblechen, die sie in den Steamer schiebt.

Das Essen wurde in der Zürcher Grossküche von «Menu and More» gekocht, gekühlt und abgepackt. Auf jeder Verpackung klebt eine Etikette mit den Inhaltsangaben und einer Anleitung, wie das Gericht gewärmt werden soll. Auch eine Allergikerwarnung steht darauf. Die Firma wirbt mit verschiedenen ökologischen Labels, unter anderen der Bio-Knospe. Laut Website sollen bis 2016 die Bio-Produkte fünf Prozent des Einkaufsvolumens von «Menu and More» ausmachen.

Es schmeckt

Die Schule ist um zehn vor zwölf aus. Raphael ist als erster da und guckt in den Steamer. Die Mini-Calzone kennt er schon und mag sie. Heute kommen 25 Kinder. An Spitzentagen essen 85 Schüler und Schülerinnen im Bitzius. «Wer will Suppe?» Helena Rüegg beginnt zu schöpfen. Eveline Lanzrein verteilt die Pizza-Krapfen und den Salat.

Die Kinder holen sich einen Teller und gehen damit zu ihrem Platz. Julien findet das neue Essen besser, als das des vorherigen Caterers. Es sei weniger salzig, sagt Lena. Manuel hat keinen Unterschied bemerkt. Aber das Essen schmeckt ihm. Und auch Tagesschulleiter Simon Stirnimann bestätigt: «Seit ‹Menu and More› kocht, essen die Kinder mehr.»