Edition megafon

von Rahel Schaad 19. April 2021

Unter dem Namen «edition megafon» hat das Kollektiv hinter der «Zeitung aus der Reitschule» kürzlich zwei Publikationen veröffentlicht: Ein Buch mit Texten und Illustrationen zum Thema Nacht und eine gezeichnete Reportage über den Wagenplatz «Anstadt» im Gaswerkareal. Journal B hat sich mit zwei Mitgliedern getroffen und mit ihnen über die Bedeutung des neugegründeten Verlags und die beiden Werke gesprochen. 

Journal B: Das Megafon kennt man als monatlich erscheinende Reitschulzeitung. Nun habt ihr als Kollektiv einen eigenen Verlag gegründet und zwei literarisch-illustratorische Werke rausgegeben. Schlägt das Megafon neue Wege ein?

Xaver Marthaler: Wir wollen uns nicht grösser machen, als wir sind. In der Geschichte des Megafons hat es neben der monatlichen Zeitung immer wieder andere Veröffentlichungen gegeben; es gab Sonderausgaben, es gab Comicbände oder eine Kurztextsammlung. Eigentlich setzen wir also nur eine Tradition fort – nämlich dass das Megafon mehr ist, als «nur» eine Zeitung. Es soll Raum bieten für Leute, die Lust haben etwas Publizistisches zu machen.

David Fürst: Ja, Verlag ist vielleicht etwas gross ausgedrückt. Es geht mehr darum, eine Plattform zu bieten für Projekte, die in einer Megafonzeitung nicht so Platz haben, wie eben zum Beispiel ein Illustrations- oder Literaturband. Aber schlussendlich machen wir tatsächlich alles, was ein Verlag macht: Wir redigieren, layouten, drucken und vertreiben die Publikationen.

 

Wie entstand die Idee zu anderen Formaten?

X.M.: David und ich sind uns im dunklen November des vergangenen Jahres im Souli (Sous le Pont) gegenübergesessen und ich habe mich ziemlich darüber ausgelassen, wie scheisse die momentane Corona-Situation sei und wie es doch runterziehe, dass jetzt auch noch der Winter komme und man nicht einmal in den Ausgang gehen könne. Da hat mir David tief in die Augen geguckt und gesagt ‘Xaver, lass uns zusammen ein Projekt machen‘. So ist die Idee entstanden mit dem Nachtbuch.

 

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D.F.: Zuerst wollten wir das selbst machen. Aber irgendwann kam die Überlegung, dass wir ja Teil eines Kollektivs sind, in dem wahnsinnig viel Erfahrung vorhanden ist und im Gespräch mit anderen Kollektivmitgliedern hat sich schliesslich herausgestellt, dass es möglich wäre, so ein «Büechli» im Rahmen vom Megafon rauszubringen. So ist dann das Projekt gewachsen.

 

Also war es ein Coronaprojekt, sozusagen?

X.M.: Also die Texte an sich sind nicht spezifische Corona-Verarbeitungstexte. Aber die Annäherung an das Thema «Nacht» kommt schon nicht von ungefähr. Ich glaube, die Nacht hat sich mehr verändert als der Tag. Das System hat sich gut angepasst, die meisten Leute können immer noch «ga bügle» und ihren «Sächeli» nachgehen. Die Nacht hingegen ist normalerweise verknüpft mit Chaos, Menschen, die sich treffen, die sich mitreissen lassen und dieser Raum ist in der Coronazeit verlorengegangen. Das Nacht-Leben existiert eigentlich nicht mehr.

D.F.: Ja, sehr viel Kultur spielt in der Nacht, diese Kultur gibt es momantan fast nicht. Gerade deshalb war der Drang da, dieser Nachtkultur mit einem kulturellen Medium einen Platz zu geben.

 

Reden wir noch ein bisschen über dieses Buch «Nacht: Texte aus dem Dunkeln». Darin beschäftigten sich zwölf Autor*innen und und sieben Illustrator*innen in persönlichen Auseinandersetzungen mit dem Thema «Nacht». Wie ist diese Sammlung entstanden?

D.F.: Als wir das Projekt konkretisiert haben, haben wir uns einfach überlegt, welche Leute wir kennen, die schreiben oder zeichnen und wem wir eine Plattform geben möchten. Und die haben wir dann angefragt. Vorgaben haben wir ausser einer ungefähren Zeichenanzahl keine gegeben, lediglich das Thema Nacht war fix. Dass schliesslich so viele verschiedene Texte und Illus zusammengekommen sind, war auch ein bisschen Glück. Es sind alles persönlich geprägte Werke, die für sich stehen.

X.M.: Besonders cool an diesem Buch finde ich, dass es so vielen Menschen eine Möglichkeit zum Publizieren bot. Dabei gibt es grosse Unterschiede, wieviel die Beteiligten bereits geschrieben oder gezeichnet haben. Es gibt Personen, die Literarisches Schreiben studiert haben oder die bereits bei KSB oder Journal B (Luca Hubschmied) schreiben, aber auch Menschen, die bis zu jenem Zeitpunkt nicht oder kaum etwas veröffentlicht hatten.

D.F.: Das Gleiche gilt für die Illustrator*innen. Einige haben bereits Illustrationen fürs Megafon gemacht, jemand hat Grafik studiert, einer ist Tätowierer, viele haben aber auch keine gestalterische Ausbildung. Dass das Buch eine Plattform für so viele verschiedene Texte und Zeichnungen war, finde ich sehr schön.

 

Das zweite Heft, das unter «edition megafon» erschienen ist, ist eine Illustrationsreportage über den Wagenplatz «Anstadt». Was ist die Geschichte hinter diesem Heft?

D.F.: Ich persönlich finde gezeichnete Reportagen etwas vom Coolsten und wollte das immer selbst einmal ausprobieren. Spannend ist diese Arbeitsweise gerade an Orten, an denen das Fotografieren eher heikel ist und wo dann eben das Zeichnen der Weg sein kann, die Stimmungen und Räume festzuhalten. Zum ersten Mal habe ich vor gut einem Jahr an der Underground Fight League in der Grossen Halle gezeichnet. Das hat mir sehr gefallen und deshalb habe ich einen neuen Ort gesucht. Da bin ich auf die Idee mit den Wagenplätzen gekommen und im Gespräch mit Leuten aus der Anstadt hat es sich ergeben, dass ich letzten Sommer regelmässig in der Anstadt war, beobachtet, gezeichnet und mit den Leuten geredet habe. Diese Reportage habe ich zusammen mit Julia Trachsel gemacht, die fiktionale Illustration in Luzern studiert hat.

 

Wie habt ihr die beiden Projekte finanziert?

D.F.: Wie die Zeitung ja auch, entstanden die beiden Werke durch ehrenamtliche Arbeit. Mit dem Druck in der Reitschuldruckerei ergaben sich aber trotzdem Fixkosten. Diese haben wir vorgängig aus der Kasse des Megafons ermöglicht und hoffen nun, dass wir sie durch den Verkauf der Hefte wieder decken können.

X.M.: Und falls wir Gewinn machen, geht dieser auch wieder zurück in den Topf des Kollektivs, so dass daraus neue Projekte finanziert werden können.

 

Stehen denn weitere Projekte an?

X.M.: Sagen wir mal so, es gibt Ideen, aber die sind noch nicht spruchreif.

D.F.: Gerade sind wir sehr damit beschäftigt, die beiden erschienenen Projekte in Umlauf zu bringen. Ob das so funktioniert, werden wir jetzt erst sehen.

X.M.: Ich persönlich fände es sehr schön, wenn der Verlag eine Dynamik annehmen würde, welche die Türen für weitere Ideen und Projekte öffnen würde. Das sind aber momentan einfach Träumereien.