Das Kulturmagazin lebt!

von Luca Hubschmied 21. Oktober 2020

KSB hat weder Geburtstag noch allzu grosse Feierlaune: Die feinspürigen Beobachter*innen des Berner Kulturlebens stellen trotzdem ihre bisherige Kollektion zusammen. Ein Blick ins soeben erschienene KSB Leseheft.

Anfangs 2019 trat KSB trat zum ersten Mal ins schummrige Licht der kleinen Öffentlichkeit. Knapp zwei Jahre später liegt vor mir ein Reclam-Buch in Emeraldgrün.

Das KSB Leseheft nennt sich «Durchgehend warme Küche» und versammelt, so der Klappentext, «Lieblingstexte aus den ersten zwei Jahren». Die Texte sind alle online erschienen, die meisten davon habe ich bereits gelesen. Das Buch fühlt sich angenehm an in der Hand, es steht den Menschen, die es mittragen gut, es passt farblich zur Küchentischoberfläche. Um dieses analoge Kind eines Kulturblogs besser zu ergründen, hilft möglicherweise ein Blick auf Facebook. Nach einer Art Anfang suchend, wird die Timeline der KSB-Seite runter gescrollt. Sicher 20 Mal, damit jeweils die älteren Beiträge geladen werden. Irgendwann wechsle ich zur End-Taste, damit geht’s schneller. Irgendwann ist fertig und der Bildschirm zeigt einen Post vom 30. Januar 2019: «Hier gibts am 11. Februar wieder eigenwilligste Kulturschreibe!» Wie wahr, der Kulturblog ist seither ein Tummelort für Eigensinn, bewusste Halbwahrheiten und kritische Gedanken zu einer nicht so kritischen Kulturszene geworden.

Die KSB-Redaktion schreibt seit jenem Februar letzten Jahres mit gewissenloser Subjektivität über die meist vernebelten (und entsprechend deklarierten) Abendstunden, beobachtet, was sonst niemand festhalten würde und hat sich dadurch einen ganz eigenen Platz geschaffen. Unter den Perlen auf der Seite finden sich unanständig lange Berichte über den Blues auf der Schützenmatte oder den Zerfall des Contact-Projekts Rave it Safe. Solch Umfassendes bleibt – verständlich – die Ausnahme, an der Tagesordnung ist oft Knappheit, messbar an der Länge des Texts und der abgekürzten Sätze. Oft genug betreibt KSB die sinnloseste  und schönste Art von Kulturberichterstattung: Gedanken zu einem vergangenen Anlass, etwa hier.

Im Netz funktioniert das gut, auch im Leseheft sind zeitlich klar verortete Beiträge zu finden. Inwiefern sie, viele Monate später, noch Relevanz fürs lesende Auge haben, ist fraglich. Berechtigter scheinen da die prägnanten Worte, die politischen Sätze, etwa in den Beiträgen «They are the no borders» (S.63) oder  «Versteinert, aber nicht stoned» (S. 101).

Etwa 74 Gramm wiegt das KSB Leseheft, es ist wenig Gewicht, verleiht aber Wichtigkeit. Es stellt sich die Frage: Was ist ein Blog, wenn er sich einfach in ein Heft drucken lässt? Ohne Bilder und nichts. Das Verlangen, etwas aus der diffusen Cyberumgebung zu lösen und greifbar festzuhalten, dürfte auch hier gewonnen haben. Denn die wirklich guten Texte stehen im Bücherregal und nicht im Lesezeichenordner des Browsers. Oder? Vielleicht macht uns die vermeintliche Flüchtigkeit des Digitalen nach wie vor Angst. Vielleicht ist das Heft aber auch eine schöne Gelegenheit, zurückzublicken. Und ohne Heft gäbs wohl auch diese Rezension nicht. Drum Cheers, KSB, auf die ersten eineinhalb Jahre Selbständigkeit und –ausbeutung und viele weitere Zwischentöne aus eurer Küche, die noch kommen mögen!


Das Heft gibt es hier zu kaufen!
Buchvernissage ist am Freitag, 23.10. um 19 Uhr in der Zoo Bar. Der Flyer dazu verspricht Lesung, Alkohol, Suppe und DJ-Set.