Eine rundum ausserordentliche Saison bei KTB

von Christoph Reichenau 1. Januar 2020

Es war eine schwierige, anstrengende Spielzeit 2018/2019 für Konzert Theater Bern (KTB). Vieles ist anders gelaufen als geplant. Im Rückblick mit Toni Stocker, dem Vorsitzenden der Geschäftsleitung, zeigt sich allerdings, dass es letztlich aufgegangen ist und KTB es hingekriegt hat.

Die Saison begann, bevor sie anfing, mit dem Rücktritt des Intendanten Anfang Juli 2018. Stephan Märki zog spät die Konsequenz aus der verheimlichten Liaison mit Sophie-Thérèse Krempl. Nun ist er Intendant im ostdeutschen Cottbus. Sein Nachfolger in Bern ist Florian Scholz, der zu 50% schon die Saison 2020/2021 vorbereiten hilft und sich auf die darauffolgende Spielzeit konzentriert. Das Kapitel ist geschlossen.

Verhaltenscodex

Der im Sommer 2018 weitgehend neu zusammengesetzte Stiftungsrat unter der Leitung von Nadine Borter hatte lange schwelende Gerüchte auf einen Schlag erstickt und angekündigt, mit einem Verhaltenscodex Folgerungen aus dem Vorgefallenen zu ziehen. Der vom Stiftungsrat entworfene Codex wird derzeit von einer Arbeitsgruppe der Mitarbeitenden beraten; er soll anschliessend bereinigt und bis Sommer 2020 verabschiedet werden.

Ein zweiter Tiefpunkt war das Wetter am traditionellen Eröffnungskonzert des Berner Sinfonieorchesters (BSO). Es musste vom Bundesplatz in den Kursaal verlegt werden. Dies «kostete» um die 7‘000 ZuhörerInnen.

Disposition: ein diffiziles Meccano

Auch sonst verzeichnete das BSO in der vergangenen Saison rund 9‘300 Besucherinnen und Besucher weniger als im Jahr zuvor (34‘508 anstatt 43‘840). Viele regelmässige KonzertgängerInnen nahmen während der Restaurierung des Casinos die Atmosphäre und die Akustik des Kursaals nicht gut an, obwohl im Saal mit Lautsprechern der Klang ausbalanciert wurde. Erfreulicherweise machten manche davon ihr Versprechen wahr und bestellten auf die Rückkehr des BSO ins Casino 2019 wiederum ein Abonnement.

Hinzu kam, dass im Kursaal Abonnementskonzerte zuweilen am Samstag/Sonntag stattfinden mussten und nicht an den für das BSO traditionellen Donnerstagen/Freitagen. Dies wiederum zwang dazu, Opernaufführungen mit dem BSO vom Wochenende auf Werktagabende umzudisponieren, was bei langen Spieldauern nicht immer geschätzt wurde.

Die Disposition des Vierspartenbetriebs KTB erlaubte 2018/2019 auch lediglich 425 Aufführungen anstatt 441 wie 2017/2018. Die Planung, die bei Konzerten und im Musiktheater auf 3-4 Jahre im Voraus erfolgt, wenn bestimmte SolistInnen oder DirigentInnen verpflichtet werden sollen, ist ein anspruchsvolles Puzzle, das die Sparten mit kürzerer Vorlaufzeit (Schauspiel und Tanz) schon ziemlich vorbestimmt.

20‘000 ZuschauerInnen weniger

Die Folge der komplizierten und teilweise ausserordentlichen Verhältnisse: Im Schauspiel verzeichnete KTB 2018/2019 2‘710 ZuschauerInnen weniger als 2017/2018, im Musiktheater 11‘976 weniger, In den Konzerten 9‘332 und bei Gastspielen 5‘609 weniger. Der Tanz hingegen zählte 8‘032 Zuschauerinnen mehr und steigerte damit seine Zuschauerschaft um fast 70%. Insgesamt sank die Belegung der Plätze von 144‘452 auf 123‘117; das heisst 21‘335 oder rund 15% Personen weniger als in der vorherigen Saison besuchten Darbietungen von KTB. Zum Glück resultierte dennoch ein Reinertrag von 74‘818. Und der Kostendeckungsgrad konnte von 19,6 auf 21% gesteigert werden. Daran trugen ausser dem Billettverkauf und einer Co-Produktion mit Winterthur (die Jugendoper «Humanoid») auch die Gastronomie im Foyer und im Restaurant «Vierte Wand» bei. Den Hauptteil der Kosten (79%) decken die Subventionen von Stadt, Kanton und Regionsgemeinden. 

Der Jahresbericht 2018/2019 verzeichnet sachlich und lakonisch das zurückliegende Geschehen. Eine kleine Schlagseite ist bei den zitierten Medienstimmen festzustellen: Sie sind samt und sonders positiv; in Besprechungen auch enthaltene Fragen, Einwände, Kritiken kommen nicht vor. Schade, denn die meisten davon sind im Grunde aufbauend gemeint und gehörten in einen Bericht, der ein getreues Abbild sein soll.

2019/2020 lief gut an

Laufen dem Haus die BesucherInnen davon? Toni Stocker lächelt. Er kennt die Zahlen der angelaufenen Saison 2019/2020. Sie sind gut. Die Rückkehr des BSO in «sein» Casino gelang erfolgreich; es wurden 400 Abonnemente mehr abgesetzt. Das Schauspiel «Der grosse Diktator» wird – gemischter Kritik zum Trotz – vor vollen Rängen gespielt, ebenso die Oper «Il barbiere di Siviglia». Und für «Swan», den vierteiligen Tanzabend, wird – wie auch für das Stück «frau verschwindet» – eine Zusatzvorstellung geplant.

Überhaupt der Tanz. Die Compagnie ist unter der Leitung von Estefania Miranda zum Juwel von KTB geworden, tänzerisch und als Publikumsmagnet. Sie soll in der kommenden Saison dafür mit einer zweiten Produktion im Stadttheater mit Live-Musik belohnt werden. Die Aufbauarbeit der Direktorin hat sich gelohnt, sowohl für die einzelnen TänzerInnen (Gesundheitsvorsorge, Umschulungsmöglichkeit), als auch in der choreografischen Nachwuchsförderung. Es ist zu wünschen, dass es in allen Sparten soweit kommt.