Rauschhaftes im Winter

von Luca Hubschmied 29. Dezember 2018

Der Schriftsteller Walter Vogt beschreibt in seinem Buch «Dröx» die Entstehung seiner Strichzeichnungen und kartographiert mit klarem Blick seine Erfahrungen mit bewusstseinserweiternden Substanzen. Zusammen gewähren Text und Zeichnungen Einblick in einen schöpferischen und schwierigen Verstand.

Mausegrau, mit abgegriffenem Umschlag und reichlich unspektakulär anmutend liegt es vor mir, die weisse serifenlose Schrift auf dem Titelblatt nennt Autor und Titel: Walter Vogt – DRÖX.
In dem mittlerweile nur noch antiquarisch erhältlichen Buch aus dem Jahr 1987 finden sich ein Werkbericht und Zeichnungen des in Muri bei Bern tätigen Psychiaters und Schriftstellers Walter Vogt, der im September 1988 ebenda verstarb. So farblos «Dröx» von aussen wirkt, umso bunter und berauschter erweist sich sein Inhalt. In dem Werkbericht beschreibt Walter Vogt die Entstehung seiner schwarz-weissen Strichzeichnungen, die er erstmals 1980 in der Galerie alibi in Biel ausstellen durfte. Vogt, der 1969 seinen ersten LSD-Trip hatte und sich später als Polytoxikomane in den Entzug einlieferte klassifiziert in dem Text seine Strichzeichnungen in drei Entstehungsphasen: die psychedelische Phase 1969-1971, die Speedzeichnungen 1971-193 und die Zeichnungen ab dem Beginn des Entzugs 1974. Nach seiner Entzugsphase zeichnete Vogt nicht mehr, die Kraft habe sich erschöpft, es gäbe keine spontanen Hervorbringungen mehr. «Dröx» wimmelt von den radikalen, oft unruhigen Strichen aus Vogts Bildern, die meisten davon aus seiner Speedphase, er bezeichnet diese Bilder auch als die wohl kunstähnlichsten.

Das Buch selbst ist ein rauschhaftes Erlebnis, eingeleitet wird es von einer Ansprache Albert Hofmanns zur Vernissage der Ausstellung Dröx im Jahr 1980. Den Urvater des LSD und Walter Vogt verbindet eine lange Freundschaft, ihren Briefwechsel, den Hofmann als «Drogen-Korrespondenz» bezeichnet, hat die schweizerische Nationalbibliothek online dokumentiert.  Nach dem Werkbericht Vogts folgen ab der Mitte des Buches Zeichnungen, zu denen der österreichische Psychiater Leo Navratil Texte verfasst hat. Die grossen Erkundungen eröffnen sich einem jedoch in dem Werkbericht, in dem Vogt seiner eigenen Drogenkarriere nachgeht. Er tut dies aus der Perspektive eines Menschen, der sich als Psychiater mit dem Geiste anderer Menschen und als leidenschaftlicher Psychedeliker mit seinem eigenen Bewusstsein beschäftigt hat. Vogt selbst soll gemeint haben: «Gott hat mir ein so herrliches Gehirn gegeben für Wahrnehmungen und Einsichten, und ich Idiot habe es vierzig Jahre lang zum Nachdenken missbraucht über das, was längst vorgedacht war.»
Beschönigend oder romantisierend ist nichts an seinem Bericht, so berauscht die Erlebnisse, so nüchtern sein Fazit. Empfehlen würde er LSD nicht. Ihn selbst hat die Erfahrung zwar befähigt, seine Entwicklung katalysiert und zum Zeichnen gebracht. Vor uns bleibt ein Buch liegen, das an grauen Wintertagen wie sie jetzt vorherrschen, gelesen werden soll. Vogt selbst sagt, er habe nie im Sommer grosse Trips genommen, «die Angst vor übermächtigen Lichterscheinungen war zu gross, neblige November- bis Januartage schienen ideal.»