100xBernerleben

von Thomas Göttin 24. Dezember 2018

Eine kleine Broschüre «100xBernerleben» liegt an meinem Arbeitsort im Polit-Forum Bern zum Abgeben auf. Die Winterpause bringt Zeit, da mal reinzuschauen.

Die Broschüre schaut noch immer taufrisch aus, quadratisches Format, auf dem Cover ein Foto des Wasserspiels auf dem Bundesplatz mit plantschenden Kindern. Im Innern kurze Texte und Fotos zu 100 Berner Stichworten, von Aareschwumm bis Zytglogge. Entstanden ist die Broschüre vor knapp zehn Jahren und sie zeichnet sich durch einen erfrischend aktuellen und verschmitzten Zugang zu Bern aus: Das Foto zum Zytglogge zeigt nicht etwa den Turm, sondern die fotografierende Menschentraube zur vollen Stunde. Frauenlauf, Veloverleih und die Siedlung Burgunder sind ebenso vertreten wie Chlyklass, Steff la Cheffe und Polo Hofer.

Damit bietet die Broschüre eine guten Gradmesser für die Frage: Wie hat sich Bern in den letzten zehn Jahren verändert? Was müsste heute in der Broschüre stehen, was wäre wieder rausgefallen? Also: Bern ist definitiv gemütlicher geworden. Unter dem Stichwort Gemütlichkeit führt die Broschüre vor zehn Jahren lediglich Markthalle, Bärenpark, Märit, Dählhölzli, Orangerie und Botanischer Garten auf. Während man die Markthalle nach den letzten Entscheiden wieder streichen bez. mit dem Löscher und der Heitere Fahne in Wabern ersetzen könnte, fehlen alle neu gestalteten Plätze und mediterranen Strassenzüge: Loryplatz, die Länggasse mit der Mittelstrasse, der bald neu gestaltete Breitsch, oder die kleinen Ecken in der Altstadt, beim Egghölzli oder erst recht der Stauffacherplatz. Erst so realisiert man, welche Entwicklung in Sachen Lebensqualität im öffentlichen Raum die letzten zehn Jahre gebracht haben, was sich schon fast wie eine Selbstverständlichkeit anfühlt.

Auch in der Politik lassen sich die neuen Impulse an den fehlenden Einträgen ablesen. Es fehlten vor zehn Jahren jegliche Hinweise auf die umliegenden Gemeinden oder mögliche Fusionen, während der Gurten einfach der Stadt zugeschlagen wird. Ebenso wären heute sicher das Haus der Religionen und das Generationenhaus mit dabei, oder das Berner Rathaus, das hoffentlich bald einmal öffentlich zugänglich wird. Schliesslich verdient die Quartiermitwirkung mehr als eine Fussnote und neue Mitwirkungsmöglichkeiten für AusländerInnen wurden eingeführt. Dafür liesse sich bezüglich Medien, schon vor zehn Jahren bezeichnenderweise kein Thema, noch weniger erbauliches berichten: Die Chefredaktionen von Bund und BZ sind heute in Zürich, die Abteilung Information von Radio SRF soll ebenfalls nach Zürich verlegt und das Radiostudio geschlossen werden. Dass kurz nach Drucklegung von 100xBernerleben Journal B als unabhängiges Medium online ging und heute über diese Broschüre berichtet, ist da ein schwacher Trost. Dafür müsste man heute bei YB nicht mehr auf die Meisterfeiern der 50er Jahre zurück verweisen.