Kunst oder Nichtkunst, das ist die Frage

von Christoph Reichenau 1. Juli 2014

In Bern hängt ein Plakat des Kunstmuseums, das Rätsel aufgibt und zum Nachdenken anregt. Unfreiwillig.

Das Plakat hat – in Zentimetern – Weltformat. In blauer Schrift die Worte «Kunst im Zentrum». Darunter kleiner «Kunstmuseum Bern». Im Hintergrund die Foto des Museumsbaus an der Hodlerstrasse, einige Menschen auf der Treppe. Sonst nichts.

Wofür wirbt das Plakat? Worauf macht es aufmerksam? Einfach auf Kunst, auf die Kunst? Nein, auf Kunst im Zentrum. In welchem Zentrum denn? Etwa im Zentrum Paul Klee (ZPK), mit dem nun das Kunstmuseum (KMB) eng kooperieren wird, mit dem zusammen es eine Dachstiftung gründen wird? Eine Dachstiftung, deren Stiftungsrat personell identisch zusammengesetzt werden soll wie der des KMB und jener des ZPK.

Das ist eine clevere Idee: KMB und ZPK bleiben rechtlich eigenständige Stiftungen, die sich selber unter ein gemeinsames Dach stellen. Doch weil es die gleichen Personen sind, die für alle drei Stiftungen verantwortlich sein werden, ist die Selbständigkeit bloss eine rechtliche. Keine potemkinsche Fassade, nein, aber wenig mehr als dies – denn wenn die Mitglieder der personell identischen Stiftungsräte nicht schizophren werden wollen, werden sie künftig KMB und ZPK aus einer gemeinsamen Perspektive anschauen und steuern und weiterentwickeln.

Bedeutet also «Kunst im Zentrum», dass nun eine Zeit beginnt, in der die Abwehrkämpfe, die Besitzstandsquerelen vergessen sind und es – an sich selbstverständlich – endlich wieder um die Kunst und nur um die Kunst geht? Wird Kunst die Hauptsache? Ist es ein Bekenntnis des KMB zur Pflege der Kunst zusammen mit dem ZPK?

Doch wurde, wenn es so wäre, nicht die falsche Foto gewählt: Müssten dann nicht die sanften Wellen des ZPK im Hintergrund aufscheinen? Oder – wie in unserem Gestaltungsversuch – das Logo des ZPK benutzt werden? Falls allerdings die Foto auf dem Plakat bewusst eingesetzt wurde, kann der Satz „Kunst im Zentrum” nur eines bedeuten: Seht hin, hier bei uns im KMB ist die Kunst zu Hause, im Zentrum der Stadt, nicht im peripheren Schöngrün.

Man muss raten. Ein Plakat als Bildrätsel anstatt mit klarer Aussage. Dies allein irritiert. Weshalb soviel Geld ausgeben für sowenig Werbewirkung? Vielleicht ist die Antwort ganz einfach: Das KMB kann es einfach nicht besser. Und möglicherweise will das KMB es nicht besser machen, sondern einfach böse und gleichzeitig nicht beweisbar sagen: Eigentlich kann uns das ZPK gestohlen werden. Wir sind wir, wie der FC Bayern. Das Plakat wäre in dem Fall nicht schlecht, sondern – von den Verantwortlichen des KMB – schlecht gemeint. Und wenn gut Gemeintes nicht unbedingt gut herauskommt, erzeugt schlecht Gemeintes sicher nie das Gute.