Kunst-Stafette #14: Lukas Acton

von Magdalena Schindler 6. Mai 2014

Als Hommage an den abgewiesenen schwulen Nigerianer O. installierte der Künstler Lukas Acton ein Plakat, das ihn selber zeigt und – passend zur Problematik der von Homosexuellen geforderten Diskretion – an peripherer Lage platziert ist.

Was hat dich zu dieser Arbeit veranlasst?

Lukas Acton:

Veranlassung waren eine kleine Geste der Zuneigung auf dem Foto von O., eine behördliche Aufforderung zu Diskretion, eine eingeklemmte Plakatwand an einem Ort der Sehnsucht und die Tatsache, dass O. zurzeit wegen «illegalem Aufenthalt» im Regionalgefängis Burgdorf seiner Freiheit beraubt ist.

Das ursprüngliche Foto zeigt O. mit seinem Lover vor ihrer gemeinsamen Flucht aus Nigeria. Sie stehen beide in schicken Anzügen nebeneinander, die Oberkörper einander leicht zugeneigt und ihre Handrücken berühren sich sanft und fast unmerklich. Nach mehreren schwulenfeindlichen Übergriffen haben sie das Land verlassen und in der Schweiz Asyl beantragt. 

Meinem Freund O. gegenüber wurde in der Ablehnung seines Asylgesuchs von Seiten der Schweizer Behörden argumentiert, er solle seine Homosexualität in Nigeria diskret halten, dann würde er auch nicht durch die dortige homophobe Gesetzgebung verfolgt. Während sein Freund ausgeschafft wurde, konnte O. zunächst untertauchen. Das Foto ist zu finden auf dem Solidaritätsblog, den sein Freundeskreis in der Schweiz für ihn eingerichtet hat, um seine Ausschaffung zu verhindern und Asyl für ihn zu verlangen (www.libertyforo.tumblr.com). 

Durch die Annahme, dass so ein Leben im Versteckten möglich sei, wird einerseits Os Asylgesuch abgelehnt, andererseits seine Ausschaffung nach Nigeria und die dort herrschende, lebensbedrohende homophobe Gesetzgebung legitimiert. Die Diskrepanz zwischen der scheinbar harmlosen Aufforderung zu Diskretion als vorgeschlagener Überlebensstrategie und deren existenzbedrohender Auswirkung ruft drängend nach Öffentlichkeit und kollidiert somit direkt mit dem behördlichen Diskretions-Diktat. Öffentlichkeit kann hier im besten Falle zum Schutz von O. führen.

Durch das Nachstellen des beschriebenen Fotos und die Herstellung eines solidarischen Selbstbildnisses in gleicher Pose sowie die Veröffentlichung desselben an einem gut besuchten und doch halb versteckten Ort, versuche ich den Diskretionsgehalt und die Offenbarungsmacht noch so kleiner Gesten zu untersuchen und den Fokus auf das oben beschriebene Spannungsverhältnis zwischen Diskretion und Öffentlichkeit zu lenken.

Diesen Druck zur Diskretion gibt es auch hier. Was bei einer vorherrschenden, tonangebenden Bevölkerungsgruppe als selbstverständlich angenommen wird und in dieser Selbstverständlichkeit unhinterfragt bleibt und somit unbeachtet unsichtbar wird, wird bei Minderheiten schnell als auffällig, indiskret, aufsässig und impertinent empfunden. 

Was bei InländerInnen als Beweis für ihr Staatsbürgertum angesehen wird – sich für seine Rechte einzusetzen – wird bei Flüchtlingen schnell als Renitenz angesehen, was für sie zu monatelanger Haft führen kann. Was bei SchweizerInnen als Ausdruck ihres verantwortungsvollen ökologischen Handelns angesehen wird – den Zug zu nehmen anstelle des Autos – wird bei sogenannten AusländerInnen plötzlich zu störendem Verhalten und sie somit zu ZweitklassbürgerInnen im Zweite-Klasse-Abteil. Was bei Heterosexuellen als unveräusserliche Selbstverständlichkeit gilt – Gesten der Zuneigung und der Zusammengehörigkeit – gilt bei Schwulen und Lesben als lästige Zurschaustellung der eigenen Sexualität, die behördlich als verzichtbar abgesprochen werden kann.

Der Ort meiner Intervention – eine Tankstelle in Bern Bethlehem – hat mich schon länger ästhetisch und inhaltlich fasziniert. Tankstellen sind als Orte der Durchreise und des Weggehens konnotiert mit Fernweh und Sehnsucht, aber auch mit verlorenen und gestrandeten Gestalten. Zudem sind viele Tankstellen und Raststätten als Orte der homosexuellen Kontaktaufnahme und des Cruisings bekannt. Die ansprechende, etwas aus einer anderen Zeit stammende Eleganz dieser Tankstelle wurde leider lange Zeit durch Werbeplakate empfindlich gestört. Durch zwei neulich davor platzierte weisse Kuben – eine Garagenbox und ein Metallschrank – wurde diese Plakatwand eingeklemmt, zu zwei Dritteln verdeckt und ihrer Funktion beraubt. Nur eine kleiner Streifen blieb verwaist sichtbar.

Dies schien mir die passende Stelle, um das Plakat – fragil, klandestin und in seiner Existenz bedroht – anzubringen. Ist hier die Geste diskret genug oder hat sie immer noch zu viel Öffentlichkeit?

Welchen Raum brauchst du für deine Kunst?

Einen günstigen Wohnraum als Basis zu haben, ist elementar wichtig, damit der finanzielle Druck wegfällt und so auch zeitlicher Freiraum entsteht. Einen Arbeitsraum als Atelier oder einen Rückzugsraum brauche ich, damit die Abgrenzung zu den zeitfressenden Ansprüchen des täglichen Lebens funktioniert. Der Aussenraum ist wichtig als Inspiration, als Bühne und Fundort vieler meiner Fotoarbeiten und als Präsentationsort meiner Siebdruckarbeiten. Den Galerienraum finde ich besonders in seiner Form als «artist run space» interessant, vor allem auch für den Austausch mit anderen Kunstschaffenden und Gestaltenden. Den virtuellen Raum – mit seinem Zwang zur für alle Ewigkeit in Datenwolken eingemeisselter Selbstpräsentation ist er mir eher suspekt – nutze ich erst zaghaft.

Sind gesellschaftliche Fragen Thema deiner Kunst?

Immer wieder gerne, in meinen Grafikarbeiten oft explizit, in anderen Arbeiten eher implizit und versteckt. Bin ich illustrativ am Arbeiten, versuche ich durch entsprechende Reflexion mich nicht unerwünscht in meiner Bildgestaltung von überholten Bildern beeinflussen zu lassen. In meinen Fotoarbeiten geht es meist um den Themenkreis der Konstruktion und Dekonstruktion von Männlichkeiten.

Suchst du die Öffentlichkeit?

Wenn ich nicht gerade Handtäschchen schwingend auf brennenden Barrikaden mich dem zähnefletschenden Ungetüm der herrschenden Ungerechtigkeit entgegenwerfe, verhalte ich mich in Solidarität mit den Kunstschaffenden in Russland, den Lesben, Schwulen und Transmenschen in Nigeria und den Sans-Papiers in der Schweiz eher diskret.

Wo siehst Du Potential zur Nutzung des öffentlichen Raums?

Die auf den Plakatwänden zu Tage tretende Werbe- und Kampagnenbildsprache mit den sie bedingenden finanziellen Machtverhältnissen könnte einiges an Gegenmacht und Gegenbildern vertragen.

Welches ist dein persönlicher Hotspot in Bern?

Samstag Abend nach 17 Uhr in der Bahnhof-Migros einzukaufen ist von der Zusammenstellung der Teilnehmenden her immer wieder eine höchst interessante Langzeit-Performance zu «togetherness» und inklusivierender Zusammengehörigkeit.