Die Mitarbeitenden von Bund und BZ wehren sich

von Redaktion Journal B 14. April 2021

Vor wenigen Tagen kündigte Tamedia die baldige Zusammenlegung der Bund- und BZ-Redaktionen an. Die Belegschaften der beiden Tageszeitungen wehren sich nun in einem Manifest gegen die geplanten Kürzungen.

Das untenstehende Manifest erreichte die Redaktion von Journal B am heutigen Mittwochvormittag. Versandt hat den Text die Personalkommission, geschrieben wurde er von der Redaktion Bund/BZ. Zeitgleich mit dem Versand dieses Manifests ging eine Website unter dem Titel «Keine halben Sachen!»(www.keinehalbensachen.ch) online sowie ein gleichlautender Twitter-Account (@KeinehalbeSache), der die Haltung der Belegschaft wiedergibt.

Journal B veröffentlicht hier das Manifest der Mitarbeitenden unverändert und ungekürzt:

 

Keine halben Sachen!

Manifest der Redaktionen Bund und BZ an die Berner Öffentlichkeit
April 2021

Am Donnerstag, 8.4.2021, gab Tamedia definitiv bekannt, dass sie die Zeitungen «Der Bund» und «Berner Zeitung» und ihre Online-Portale zusammenlegen wird. Auch die heute noch eigenständigen Lokalteile sollen ab Oktober zu einer einzigen Redaktion verschmolzen werden, die aus einer Hand beide Titel bespielt. Die Geschäftsleitung von Tamedia spricht von «notwendigen Synergien», die umgesetzt werden, einem «zukunftsweisenden Modell», «zwei Titeln mit unterschiedlicher Positionierung» – und einer «schlagkräftigen Redaktion».

Dieses Manifest tritt dieser einseitigen Darstellung entgegen. Es fasst Stimmung und Aussagen zusammen, die an einer Betriebsversammlung der Belegschaft am Tag nach der Fusionsankündigung geäussert wurden. Damit drücken die Redaktionen von Bund und BZ ihre Innenwahrnehmung der bevorstehenden Veränderungen aus, die sich deutlich von der offiziellen Message unterscheidet. Wir verstehen das als Beitrag zu einem differenzierten, ausgewogenen Bild der Entwicklung auf dem Medienplatz Bern, auf das die Öffentlichkeit angewiesen ist, um zu verstehen, was passiert.

Wir halten fest:

Der Abbau von rund einem Drittel der etwa 100 Journalistinnen und Journalisten bei Bund und BZ bedeutet eine drastische Verminderung der Ressourcen, nicht nur im Grossraum Bern, sondern auch in den Aussenredaktionen Burgdorf und Langenthal mit den Regionalausgaben BZ Emmental und BZ Langenthaler Tagblatt. Die massiv verkleinerte Redaktion ist zuständig für zwei Zeitungen und zwei Online-Portale, die vorgeben, unterschiedlichen Inhaltes zu sein. Faktisch werden aber bloss Seiten und Artikel wie Kulissen zwischen den Titeln hin- und hergeschoben: Die Leserinnen und Leser werden für dumm verkauft.

Selbstverständlich erkennen und anerkennen wir Mitarbeitenden von Bund und BZ die schwierige ökonomische Situation der Medien und unseres Verlages. Wir sind bereit, Opfer zu erbringen und die Produktivität zu erhöhen – so wie wir das schon seit Jahren tun.

Wir sehen aber auch: Im Coronajahr 2020 schüttete der Mutterkonzern TX Group 37 Mio. Franken Dividende an ihre Aktionärinnen und Aktionäre aus. Er bezog Kurzarbeitsentschädigung vom Bund in Millionenhöhe. Und auf Stufe Ebitda erwirtschaftete Tamedia 2020 einen Gewinn von 11 Mio. Franken.

Trotzdem zieht nun Tamedia mit einem personellen Kahlschlag dem Berner Modell den Teppich unter den Füssen weg. Der Abbau von 20 Vollzeitstellen bedeutet – ganz abgesehen von der verminderten Medien- und Meinungsvielfalt – umgerechnet den Stellenverlust für rund 30 Mitarbeitende. Es ist unrealistisch, diesen Abbau über natürliche Fluktuationen abwickeln zu wollen. Es kommt fast sicher zu einer harten Massenentlassung.

In diesem Zusammenhang irritiert und befremdet das Kommunikationsverhalten der beiden Tamedia-Geschäftsleiter Marco Boselli und Andreas Schaffner sowie der beiden Chefredaktoren Simon Bärtschi und Patrick Feuz. Seit nun sechs Monaten beraten die beiden Chefredaktoren mit der Tamedia-Geschäftsleitung das riesige Sparprogramm. Gegenüber den Mitarbeitenden von Bund und BZ wurde in dieser Zeit nur ungenügend beziehungsweise gar keine Transparenz hergestellt.

Während die Leitungspositionen der neuen Redaktion inzwischen besetzt sind, lässt man die restlichen Mitarbeitenden über ihre persönliche Zukunft weiterhin im Dunkeln. Weitere Monate der Ungewissheit und des unwürdigen Wettbewerbs um knappe Stellen stehen bevor. Die neu geschaffenen Strukturen offenbaren ausserdem, dass der Abbau nicht zu Lasten des Kaders, sondern der Journalistinnen und Journalisten und der Verankerung in der Region geht. Die Ankündigung, dass die Journalistinnen und Journalisten bei der «Neuorganisation» einbezogen würden, wie dies Tamedia in ihrer Mitteilung schreibt, droht zur Farce zu werden. Wie zynisch ist die Vorstellung, dass man sich für den Aufbau der fusionierten Redaktion einsetzt, um Gefahr zu laufen, selber entlassen zu werden?

Die Mitarbeitenden von Bund und BZ fordern von der Tamedia-Geschäftsleitung und der Redaktionsleitung Bund/BZ:

1) Die Zahl der angekündigten Entlassungen ist zu minimieren. Es ist erste Priorität, möglichst rasch Klarheit zu schaffen, wer vom Stellenabbau betroffen sein wird.

2) Alternativ ist ein sozialeres Modell ernsthaft zu prüfen: Würden die 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Pensen um jeweils 20 Prozent reduzieren, entspräche dies dem Gegenwert von 20 Vollzeitstellen.

3) Es ist vollständige Transparenz über die tatsächliche Zahl der abzubauenden Vollzeitstellen herzustellen, inklusive der bei der kommunizierten Zahl des Abbaus von 20 Vollzeitstellen bereits berücksichtigten Kündigungen der letzten Monate.

4) Es ist vollständige Transparenz herzustellen über die Zeitverträge mit freien Mitarbeitenden, die nicht mehr erneuert werden.

5) Für den Fall, dass es zu Entlassungen kommt, muss umgehend der Petition Rechnung getragen werden, die 300 Journalistinnen und Journalisten des Tamedia-Verlages unterzeichnet haben und die eine Verbesserung des geplanten Sozialplanes fordert.

6) Wir wollen klar, umfassend und zeitnah über die nächsten Schritte informiert werden.

7) Es ist zu prüfen, ob das Festhalten der Brands Bund und BZ gegenüber der Leserschaft
ehrlich und redlich ist.

Wir wollen keine halben Sachen! Wir danken für die Kooperation.
Die Redaktionen von Bund und BZ