Europa braucht Platz

von Luca Hubschmied 1. August 2019

Europa liegt unter dem Autobahnviadukt und zwischen zwei Bahnhöfen. Angesiedelt im beginnenden Westen Berns weckt der Name Europaplatz Fantasien von Grossstadt und supranationaler Gemeinschaft. Zeit für eine kritische Bestandesaufnahme.

Hauptsächlich überquert wird er, der Europaplatz an einem Mittwochvormittag. Menschen traversieren die Betonwüste auf dem Weg zum SBB-Bahnhof. Über dem Platz rauscht kaum hörbar die Autobahn. Hier soll er also wehen, der Wind Europäischer Grösse in der kleinen Sandsteinstadt. Ich strecke die Nase in die Luft und rieche nicht viel. Die Worte «Europa» und «Platz» sind beides aufgeladene Versprechen und an diesem Verkehrsknoten im Westen Berns treffen sie zusammen. Aus dem alten Bahnhof Ausserholligen soll hier ein modernes, urbanes Areal geworden sein. Gleich westlich des Platzes wacht das Zentrum Europaplatz mit seiner kalten Glasfassade über die vorbeiziehenden Bernmobil-Trams. Das Haus der Religionen grenzt an Imbissketten-Filiale, Detailhändler und Bäckerei.

Im Jahr 1997 beschloss der Gemeinderat, das namenlose Areal «Europaplatz» zu taufen. Angestossen hatte die Idee der Europarat, welcher zwei Jahre später sein 50jähriges Jubiläum feierte. Verändert hat sich der Unort westlich der Berner Kernstadt aber erst in den letzten Jahren mit der Errichtung des «Zentrum Europaplatz» und der Umgestaltung des Raumes unter dem Autobahnviadukt. Auf der Architektur-Plattform «espazium» schreibt Christoph Schläppi, der Platz verbreite seither «eine positive, lebhafte Urbanität und zieht dadurch ein breites Publikum an.»

Wenn «urban» grau, funktional und reduziert bedeutet, mag er recht haben. Auf den Stufen um die Betonpfeiler sitzt eine Frau auf einer Art mitgebrachtem Sitzkissen. Das breite Publikum suche ich momentan vergebens, wahrscheinlich trudelt es erst nach Feierabend hier ein. Die Lebhaftigkeit des Platzes wird symbolisiert durch die Rampen und Rails, die hier herumstehen und mit denen zumindest die Skater der Ödnis etwas Waghalsigkeit einhauchen.

 

Am Nordende des Platzes liegt die Ladenwand-Passerelle. Auf den wenigen Metern Länge überquert sie die darunterliegende BLS-Zuglinie.

 

 

Ladenwand zum Zweiten? Diese ist leider nicht eindeutig beschriftet.

 

Das Bauprofil des Anstosses: Auf dem Haus der Religionen soll eine Mini-Kuppel in Zukunft die Moschee kennzeichnen. Das Vorhaben  ruft nun das Egerkinger Komitee auf den Plan, welches seinerzeit die Minarett-Initiative lanciert hatte. Die Spitze der Kuppel erinnere an ein Minarett und sei somit ein Zeichen des politischen Islams. Soviel zur europäischen Offenheit am Entwicklungsschwerpunkt Ausserholligen.

 

 

«… die Brüstungen der Treppen sind so massiv, dass sie allen Hooligans, Vandalen und den Streichen von Nachtbuben standhalten.» So schreibt der Architekturhistoriker über die Stufen, die zum BLS-Bahnhof hinabführen. Europa ist gefährlich und braucht starke Leitplanken.

 

 

Eingeklemmt an der Nordspitze des Platzes hat es seinen Platz bewahrt: Das Vereinslokal des BMEC (Berner Modell-Eisenbahn-Clubs). Wären wir hier am Helvetiaplatz im mondänen Osten, stünde an Stelle der Baracke vielleicht schon ein aufgepoppter Gastro-Betrieb.