Berns Osten lebt

von Luca Hubschmied 4. August 2018

Zum zweiten Mal steigt auf dem Areal des alten Tramdepots Burgernziel das Ostfest. Dort versteht man sich in erster Linie als Musikfestival, entsprechend präsentiert sich die Auswahl an nationalen und internationalen Acts. Wir haben uns mal etwas umgehört.

In kulturellen Angelegenheiten leidet Berns Osten an Mangelerscheinung. Insbesondere im Raum Elfenau, dem sogenannten unteren Murifeld, wo die Strassen von Villen und Botschaftsresidenzen gesäumt sind, zieht sich mit Einbruch der Dämmerung das Leben meist ins Private zurück. An einem der wenigen Quartierorte, im Punto an der Brunnadernstrasse, sieht das schon anders aus. Letztes Jahr hat eine Truppe motivierter junger Menschen hier zum ersten Mal das «Ostfest» veranstaltet. Ein zweitägiges Fest, mitten im Sommer, um den verschlafenen Osten wachzurütteln. Das OK zog eine positive Bilanz und so findet das Ostfest auch dieses Jahr wieder auf dem Gelände des ehemaligen Tramdepots statt.

Die Sonne drückt unbarmherzig an diesem Freitagnachmittag. Noch haben nicht allzu viele Menschen den Weg hierhin gefunden, zu dringend scheint der Wunsch nach einer nassen Abkühlung.  Während etwas weiter vor uns die holländischen AlternativrockerInnen Blue Crime ihre Riffs nachhallen lassen, treffe ich im Schatten Jonas, Mitglied des Organisationskommitees. Wie die meisten war auch er schon bei der letztjährigen Ausgabe dabei und auch diesmal arbeiten alle wieder freiwillig mit. Verdienen tun hier nur die KünstlerInnen und TechnikerInnen etwas. «Wir hatten eigentlich nicht damit gerechnet, das Fest dieses Jahr wieder durchführen zu dürfen», spricht Jonas die schon bald drohende Überbauung des teils brachliegenden Areals an. Verzögerungen führten aber dazu, dass bis Ende Jahr sicherlich keine Baumaschinen auffahren werden. «Und wenns dann im nächsten Sommer nichts mehr wird hier, dann zügeln wir vielleicht einfach an einen anderen Ort», meint Jonas und grinst. So weit planen könne man aber noch nicht, jetzt gilt es erst mal den Verlauf der diesjährigen Ausgabe abzuwarten. Mit voranschreitender Zeit füllt sich nun auch des Gelände mehr und mehr, die Stufen der kunstvoll gebastelten Holztribüne sind bald mal von einem Geflecht aus Beinpaaren in kurzen Hosen belegt. Andere drängen unter den Schatten, vor eine der  Bühnen, etwa unter das grosse Zelt, das imposant auf dem Platz thront.

Günstig ist der Eintritt nicht, wer ein preislich niederschwelliges Quartierfest erwartet hat, wird von dem Eintrittspreis erstaunt. Vierzig Franken für einen Tag, wer vor 15 Uhr kommt, kriegts für dreissig. «Ein guter Teil des Gelds geht für die Infrastruktur drauf.  Die grössten Ausgaben haben wir aber für die Gagen», erklärt Jonas, «wir verstehen uns ganz klar als Musikfest und sind der Meinung, dass 55 Franken für einen Zweitagespass in Anbetracht der Acts, die hier zu hören sind, absolut im Rahmen liegen.» Und in der Tat präsentiert sich den Besuchenden ein fein selektiertes Programm, das mit vielen Neuentdeckungen aufwarten dürfte und auch genremässig keine Berührungsängste zeigt. Nachdem auf der Dachbühne Klaus Johann Grobe mit neuem Sound antanzten, eröffnet sich im Dunkel des Zelts eine andere Realität. Begleitet von hartem Licht drückt hier der Elektroniktüftler «S S S S» seine rauen, industriellen Klänge aus den Boxen. Das ist ein körperliches Erlebnis sondergleichen, da wird jegliche Erwartung an Musik in Schutt und Asche gelegt. So kehrt manch ein Mensch dem Zelt aus Verstörung den Rücken um bald aus unbefriedigter Neugier wieder zurückzukehren.

Um halb zwei in der Nacht verklingt dann die Musik, länger darf es hier nicht gehen, so sagt es die Bewilligung. Doch schon heute, am Samstag, geht es weiter im Osten Berns. Auch am letzten Tag des Ostfests geben sich wieder zehn verschiedene Acts das Mikro in die Hand. Liebhaberinnen und Liebhaber von froher Stimmung und gelebter Freude an Musik dürfen sich freuen. Der Osten Berns lebt. Nicht immer gleich, aber diese Tage besonders laut.

mehr Infos und Programm: ostfest.ch