Das Ehepaar Reka und der Lachs-Effekt

von Urs Frieden 3. Juni 2015

Remzi und Adifete Reka, hier bestens integriert und eingebürgert, kehren nach Kosova zurück. Sie lebten 38 Jahre in Bern.

Derzeit beschäftigt sich die Schweizer Politik mit der Frage, weshalb derart viele kosovarische Staatsbürgerinnen und -bürger ihr Land Richtung Westen verlassen. SP-Nationalrat Martin Naef (ZH) schreibt in einer Interpellation von einer «neuen Auswanderungswelle» und einer «Abstimmung mit den Füssen». In seiner Antwort vom 20. Mai 2015 beschreibt der Bundesrat die möglichen Gründe, insbesondere die Arbeitslosenquote von 30 Prozent und die ebenso hohen Armutsquote in diesem jungen Land. Mit verschiedenen Programmen, darunter das mit 88,5 Millionen Franken dotierte Schweizerische Kooperationsprogramm (2013-16), zähle die Schweiz zu den «wichtigsten bilateralen Gebern» in Kosova.

Remzi und Adifete Reka gehen in diesen Tagen gerade in die umgekehrte Richtung, nämlich zurück nach Kosova. Bei ihnen ist es keine Abstimmung mit den Füssen, sondern mit den Herzen. «Ja, es ist eine Herzensangelegenheit», sagt Remzi Reka, «ein lang gehegter Traum.» Wie er drei erwachsene Kinder in der Region Bern zurücklassen könne, wird der 61-Jährige in diesen Tagen oft gefragt. Erstens könne man einander regelmässig besuchen, und zweitens spiele bei ihnen wie bei vielen Migrantinnen und Migranten der Lachs-Effekt. Die Wissenschaft hat diesen Namen gefunden für den offenbar tief im Menschen verwurzelten Wunsch, nochmals in die Heimat zurückzukehren – wie die Lachse, die zum Laichen immer wieder die Flüsse hinaufwandern. Bis zum Ort, an dem sie auf die Welt gekommen sind. Dass die Schenker Druck AG im Breitenrain kürzlich in Konkurs ging und Reka nach Jahrzehnten plötzlich keinen Job mehr hatte, erleichterte den Entscheid, der aber schon zuvor gefallen war – nach 38 Jahren in Bern und Umgebung, insbesondere Ostermundigen.

Remzi Reka war und ist, ebenso wie seine Frau und die Kinder, nicht nur bestens integriert und eingebürgert, sondern auch sehr engagiert. So unter anderem im «Freundschaftsverein Schweiz-Kosova», mit dem er unter anderem die Freundschaftsspiele des FC Thun gegen den FC Prishtina (1998) und das Rückspiel FC Prishtina gegen eine Berner Auswahl (2001) organisieren half. So kam es, dass Reka im Nationalstadion von Prishtina vor 3500 Zuschauern und live von einer Privatstation übertragen die Grussbotschaft des damaligen Bundespräsidenten Moritz Leuenberger verlas. Bei einer weiteren Pioniertat aus dem Bernbiet war Reka ebenfalls zuvorderst mit dabei: bei der Gründung der Partnerschaft Moosseedorf-Kaçanik. Nach Kaçanik wird Reka jetzt zurückkehren. «So kann ich die Partnerschaft von der anderen Seite her unterstützen», sagt er. Und freut sich fast ein bisschen schelmisch.

In Kaçanik, seiner Geburtsstadt, leben zwei Brüder. Elf weitere Geschwister sind auf die ganze Welt, bis und mit Kanada, verteilt. Die grosse Reka-Famile und ihre verschiedenen Odysseen werden im Buch «7 Brüder, 7 Schwestern» von Elisabeth Kästli, erschienen im Limmat-Verlag, beschrieben. Einer der Brüder ist in Kaçanik in der Politik aktiv. «Aber das ist nichts für mich. Ich sehe mich nicht als Parteipolitiker, ich kann mich anderweitig engagieren», sagt Remzi Reka. Es fällt einem wirklich schwer, ihn sich als Däumchen drehenden Rentner vorzustellen.

Kaçanik liegt im Süden Kosovas, 50 Kilometer von der Hauptstadt Prishtina entfernt und nahe der mazedonischen Grenze. In der 50’000-Einwohner-Stadt konnten Remzi und Adifete Reka ein Haus bauen, das sie nun beziehen können. «Die Zeit ist reif für die lang ersehnte Heimreise», steht auf der Einladung zum Abschiedsapéro, das vor kurzem mit vielen Freundinnen und Freunden in Ostermundigen stattfand.

Gjdo te mire dhe rruge te mbar drejt vendlindjes, Remzi dhe Adifete! Alles Gute und gute Heimreise, Remzi und Adifete!