Mein Begleiter

von Dorothe Freiburghaus 28. Dezember 2014

Das Verschwinden eines lieben Weggefährten stimmt unsere Autorin nachdenklich. Doch wird er sie für eine Weile noch wärmen können.

Er stand schon da, als ich hierher kam. Er stand da all die Jahre, die ich hier verbrachte. Er beugte seine Äste über mich, jedes Mal, wenn ich in mein Auto stieg oder wieder aus ihm ausstieg. Er spendete Schatten, bot Schutz zur Strasse, wechselte sein Kleid nach Jahreszeit.

Jetzt ist er müde geworden, altersschwach. Im Frühling noch war er voller Leben, war Versteck, Behausung und Nahrung für viele. Bereitwillig bot er Raum für die nächsten Generationen von Vögeln. Sie nisteten in seinen Höhlen, hüpften auf seinen Ästen zwitscherten, sangen, jubilierten und verteidigten ihre Brut.

Noch einmal habe ich einzelne Nüsse zusammen getragen. Klein sind sie geworden, aber noch sind sie da. Noch einmal habe ich sein Laub zusammen gerecht, das spärlich geworden ist. Müde und brüchig ragen die Äste aus dem Stamm.

An einem Tag Ende November, bevor ich in die Stadt fahre, kommt der Holzer mit Traktor und gewaltigem Anhänger. Als ich wegfahre, weiss ich, das ist der letzte Blick auf diesen Baum. Spätabends, als ich heimkomme, klafft da, wo er war, eine Lücke. Ein Feuer knistert, das letzte Reisig wird verbrannt. Ringsum liegen Ast- und Stammstücke.

Jetzt beginnt das zweite Leben des Baumes. Warten bis die Stücke aufgehäuft, getrocknet und gespaltet im Ofen uns wärmen, lange nachdem die letzte Nuss geöffnet wurde.