Bern hat einen neuen Fussballclub

von Yannic Schmezer 2. September 2014

Im Osten von Bern formiert sich ein neuer Fussballclub. Doch der Ostbärn F.C. will mehr sein als ein Sportverein.

Sonntag, 24. August 2014, auf dem Sportareal Füllerich: Ein Spieler in weissem Trikot erobert den Ball, führt ihn Richtung Tor und setzt zum Schuss an. Ein Raunen geht durch die Zuschauerreihen, als der Ball das Tor verfehlt. Es sind ungewohnte Szenen auf dem Kunstrasenplatz in Gümligen. Obwohl sich hier nur zwei 5.-Liga-Mannschaften duellieren, sind rund 60 Zuschauer zu Gast, die sogar ab und an eine «la ola», wie die Zuschauerwelle im Fachjargon genannt wird, machen. Es handelt sich um das erste Heimspiel des Ostbärn F.C.

Matchberichte auf Youtube

Der neue Verein, der seine geographische Lage im Namen trägt, ist in jeder Hinsicht jugendlich. Erstens wurde er erst vor knapp einem Jahr gegründet und tritt diesen Sommer mit einer Aktivmannschaft zur ersten offiziellen Saison an. Zweitens beträgt der Altersdurchschnitt des Vorstandes 21 Jahre, während sich dieser in vielen anderen Sportvereinen in Richtung Pensionsalter bewegt.

Drittens zeigt der Ostbärn F.C. rege Aktivitäten auf den sozialen Netzwerken. Auf der Facebook-Site finden sich neben Fotos und Ankündigungen auch Matchberichte mit Unterhaltungswert. Zudem erscheint nach jedem Match ein kurzer Videoclip auf dem vereinseigenen Youtube-Kanal. In einem dreiminütigen Clip nach dem ersten Saisonspiel in Gerzensee analysierten die Spieler etwa die Niederlage, bewerteten die Garderoben, bemängelten die fehlende Bodenheizung und lobten das vielfältige Angebot im Clubhaus. Mit ironischem Unterton versteht sich.

Jazz und Bratwürste

Nach dem ersten Spiel auf heimischem Terrain, das mit einem 4:0-Sieg für den Ostbärn F.C. endete, lud der frischgebackene Fünftligist zu Grill und Bier ein. «Ostbärn-Fest» nannten sie das gemütliche Beisammensein und es wurde im Vorfeld auf der Strasse von den Spielern der Mannschaft beworben.

Eingeladen waren alle, die Lust hatten, natürlich auch die gegnerische Mannschaft. Zu moderaten Preisen gab es Bratwürste, dazu selbstgemachten Kartoffel-,Reis- oder Nudelsalat. Währenddessen sorgte eine dreiköpfige Band mit sanftem Jazz und Blues für ein angenehmes Ambiente.

Der Basisdemokratie verpflichtet

Der Ostbärn F.C. folgt basisdemokratischen Grundsätzen, pflegt eine flache Hierarchie und setzt sich für das Wohlergehen der Mitglieder ein, selbst wenn dies manchmal auf Kosten der sportlichen Leistung geht. Vereinsfunktionäre gibt es beim Ostbärn F.C. nur auf dem Papier: Operative Vereinsprozesse werden stattdessen von Arbeitsgruppen behandelt. Bekundet ein Mitglied Interesse, kann es ohne Umweg in eine solche Arbeitsgruppe einsteigen und befindet sich sofort am Puls der Entscheidungsfindung.

Die Homogenität der Mitglieder kommt dem Ostbärn F.C. dabei zu gute. Die elf Gründungsmitglieder die am 27. August 2013 im Osten von Bern zusammenfanden, um den Wunsch nach dem eigenen Verein zu verwirklichen, sind allesamt gute Freunde. Man kennt sich teils von Kindesbeinen an.

Ein Grossteil der Mitglieder spielte lange Zeit beim FC Muri-Gümligen. Vor der Vereinsgründung gab es im Stadtteil IV mit Esperia lediglich einen einzigen Fussballverein. Bei 25’000 Einwohnern des Quartiers war die Gründung eines neuen Fussballvereins deshalb absehbar und dieser dürfte mittelfristig eine wichtige Rolle im Sport- und Vereinsleben des Quartiers spielen.

Allerdings verschärft sich damit auch die ohnehin schon prekäre Situation bei den Fussballfeldern: Mit Wittikofen und Murifeld stehen dem Quartier lediglich zwei Plätze zur Verfügung, die Zukunft des Fussballfeldes Murifeld ist überdies nicht gesichert. Glücklicherweise kann der neue Verein auf die Zusammenarbeit mit dem FC Muri-Gümligen zählen und seine Heimspiele auf der Sportanlage Füllerich bestreiten.

Perspektiven für den Ostbärn F.C.

«Für mich gibt es verschiedene Ziele die parallel laufen», erklärt Mannschaftscaptain Nicolà Bezzola. Dabei gehe es um das sportliche, wie auch um das menschliche. «Ich glaube, dass ein Aufstieg in die 4. Liga kurz- bis mittelfristig realisierbar ist.» Welche sportlichen Ambitionen der Ostbärn F.C. dort dann habe, stehe noch in den Sternen.

Der weitere Werdegang des Ostbärn F.C. werde sich dann aber ohnehin nicht primär am Aufstieg orientieren. «Ich hoffe, dass wir innerhalb der nächsten fünf Jahre eine Juniorenabteilung etabliert haben und den Spielenachmittag, ein betreuter Nachmittag für fussballbegeisterte Kinder, wie geplant einführen können. Das würde helfen unsere Philosophie nach aussen zu tragen.» Auch eine Frauenmannschaft sieht Bezzola als ein mögliches Projekt. Jedoch fehlen dafür momentan noch die Mittel.

«Unsere flache Hierarchie wollen wir auf jeden Fall beibehalten.» Zwar werde die wachsende Mitgliederzahl eine Herausforderung darstellen, man wolle aber alles daran setzen, dass sich kein Machtgefälle bilde. Bezzola spricht hier einen der Kernpunkte des Ostbärn F.C. an, also das, was ihn von anderen Fussballclubs abhebt. Er bildet eine kleine Insel des direkten Mitspracherechts im Meer der Repräsentanten-Demokratie. Vielleicht verzeichnet der Ostbärn F.C. auch gerade deshalb regen Zulauf.