Wie viel Kita braucht die Stadt? Ansichten eines Abends

von Jessica Allemann 3. Mai 2013

Journal B lud zu «Die Redaktion 2» ein. Eine Talkrunde fühlte man dem Thema «Wie viel Kita braucht die Stadt» auf den Zahn, Guy Krneta und Greis boten ein besonderes Duett dar, und Autorin und Entertainerin Sandra Künzi führte unverblümt-charmant durch den Abend.

Nach der erfolgreichen ersten «Redaktion» im Progr traten die Redaktorinnen und Redaktore und die Vereinsmitglieder im Museum für Kommunikation gestern erneut mit den Leserinnen und Lesern des Journal B in Kontakt. Ganz getreu dem Motto «Wie viel Kita braucht die Stadt» eröffnete Autorin und Entertainerin Sandra Künzi den Abend zusammen mit ihrem Sohn. «Ich brauche doch gar keinen Kita-Platz, ich integriere meinen Jungen doch einfach in meinen Arbeitsalltag», sagte sie lapidar, den Kleinen an die Seite gehievt.

Dass es nicht so einfach sei und die Stadt auf jeden Fall mehr subventionierte Kita-Plätze brauche, fanden aber die beiden Talk-Gäste Marion Baldesberger, Leiterin einer privaten Kita, und SP-Stadträtin Ursula Marti in der Bärenrunde.«Das Volk sprach sich für das Recht der Eltern auf einen Subventionsgutschein aus, jetzt müssen wir dafür sorgen, dass genügende Plätze da sind», brachte es Marti auf den Punkt. Bei der Umsetzung der Einführung der Betreuungsgutscheinen hörte der Konsens aber jäh auf.

Betreuungsreglement und Volksvorschlag auf dem Prüfstand

Im Schlagabtausch sprachen Baldesberger und Marti über das städtische Betreuungsreglement und den Volksvorschlag «Betreuungsgutscheine ja, aber fair». Die Stadtratsvorlage sieht vor, die Obergrenze für Kita-Tarife und die Defizitgarantie für städtische Kitas abzuschaffen.

«Die Preise für Kita-Plätze können nicht endlos steigen, weil teuerste Plätze gar nicht nachgefragt würden.»

Marion Baldesberger, Leiterin einer privaten Kita

Dies begrüsse Baldesberger, weil damit ein echter Wettbewerb in der Kita-Landschaft erst möglich werde. Der Volksvorschlag will hingegen sowohl den bestehenden Maximaltarif als auch die Defizitgarantie beibehalten. Marti begründete dies vor allem mit den besonderen Leistungen, welche die städtischen Kitas erbrächten, «die die Privaten nicht leisten, weil sie nicht lukrativ sind». So würden diese häufiger Kinder mit besonderen Bedürfnissen und aus sozial benachteiligten Familien aufnehmen und böten den Angestellten gute Rahmenbedingungen. Die Abschaffung der Tarifobergrenze würde ausserdem zu steigenden Preisen führen. Baldesberger beteuerte, in ihrer privaten Kita sehr gute Löhne zu zahlen und sprach sich gegen Preisobergrenzen aus. «Die Preise für Kita-Plätze können nicht endlos steigen, weil teuerste Plätze gar nicht nachgefragt würden.»

«Frauen verlieren das Selbstvertrauen in ihren Körper»

«E weiss, e be guet, e bruche nome öpper, wo a mi gloubt», sang Greis anschliessend und entlockte den Gästen mit seinen gerappten Pointen den einen oder anderen Lacher. Seine infantile Seite werde, je älter er wird, stärker, erzählt er Sandra Küenzi und schwärmt von all den Spielsachen, welche er bereits für sein Göttikind bunkere. Ernsthaft ging das Programm weiter. Verena Piguet, die leitende Hebamme des Spitals Riggisberg, berichtete im Gespräch mit Beat Kohler vom Protest der Hebammen und Sympathisierenden gegen die Schliessung der spitaleigenen Geburtenabteilung. Die Betreiberin Spitalnetz Bern beabsichtigt, diese auf Ende Juli zu schliessen. Begründet wird dieser Entscheid mit dem Mangel an Fachärzten. Tatsächlich sei das Sicherheitsbedürfnis der Menschen in den letzten Jahren gestiegen, weshalb Frauen vermehrt in grossen Zentren gebären möchten, sagte Piguet. Dies sei aber trügerisch, denn «dass mehr Medizin im Spiel ist, heisst nicht per se, dass die Geburt sicherer ist.»

«Dass mehr Medizin im Spiel ist, heisst nicht per se, dass die Geburt sicherer ist.»

Verena Piguet, die leitende Hebamme des Spitals Riggisberg

So würden nur gerade drei Prozent der Neugeborenen von Riggisberg nach Bern verlegt. Ärztinnen und Ärzte suchten immer nach Dingen, die nicht gut seien, so die Hebamme. «Frauen verlieren mit der Suche nach ‘Anormalitäten’ das Selbstvertrauen in den eigenen Körper». Für jene Frauen, die eine Geburt aber aus eigenen Kräften und mit der Unterstützung einer Hebamme schaffen wollen, würde sie weiter gegen die Schliessung der Riggisberger Geburtenabteilung protestieren: «Ich gebe nicht auf.»

Fragen, die das Publikum bewegen

Auch diesmal sammelte die Redaktion wieder Themenvorschläge aus dem Publikum ein. Diese drehten sich diesmal vorwiegend um das Thema des Abends: «Weshalb gibt es nicht genügend Kitas? Rentiert es nicht?» oder «Kommen geschlechtergetrennte Kitas für Giele und Modis?». Das Publikum bewegen aber auch Fragen aus der Quartier- und Gemeinwesenarbeit und über die städtische Infrastruktur: «Wie kümmert sich Tschäppät um Infrastruktur (z.B. Infrastruktur Kindergärten) bei gleichzeitigem Wohnbauboom?». Diesen und weiteren Fragen widmet sich die Redaktion des Journal B gerne, bestätigt Beat Kohler. Vom offiziellen Bühnenprogramm in den gemütlichen Teil an der Bar leiteten Guy Krneta und Greis mit einer leidenschaftlichen und bluesigen Kurt-Marti-Variation. Die beiden Künstler im Duett – das gibts nur hier, zu Gast bei der Redaktion.