Post von Soldaten, Hitler und Einstein

von Eliane Oesch 23. März 2013

Die Bibliothek am Guisanplatz koordiniert sämtliche Bibliotheken der Bundesverwaltung – und beherbergt unter anderem exklusive Sammlungen an handschriftlichen Dokumenten.

«Früher existierten 44 Bundesbibliotheken nebeneinander. Die Militärbibliothek war mitunter eine der grössten, es gab aber auch ganz kleine», erklärt Andrea Grichting, Chefin des Service Public der Bibliothek. Die Bibliothek am Guisanplatz erhält immer wieder sehr spezielle Anfragen, die hauptsächlich militärische oder militärhistorische Themen betreffen. So auch jene einer Gemeinde vor ungefähr zehn Jahren, wie sich Grichting erinnert: «Die Gemeinde berichtete uns von einem grossen Stein, der inmitten des Dorfes stehe – ein Findling mit einer Plakette. Darauf sei ein Jahr eingraviert und nun habe man ein Jubiläum. Nur wisse niemand, welche Bedeutung dieser Findling überhaupt hat und so bat man uns um Hilfe.» Auch Philippe Müller, Chef des Forschungsdiensts, berichtet von einer relativ exotischen Anfrage vergangener Woche: «Jemand hatte den Roman «Sakrileg» von Dan Brown gelesen und wünschte Hintergrundinformationen zu einem im Buch erwähnten Ritterorden.» Daneben gäbe es aber auch viele Anfragen von Leuten, die etwas in der Zeitung gelesen haben und nun Genaueres zu einer bestimmten Thematik in Erfahrung bringen möchte, erzählt Müller.

Spitzfindige Recherchen

Jede dieser Anfragen landet zuerst beim Chef des Forschungsdiensts: «Man kann sagen, dass ich das übergeordnete Wissen habe – die Experten sind jedoch die Mitarbeiter», so Müller. Aus den Anfragen entstehen oft spitzfindige Recherchen. Hier das Know-how der Fachleute im Forschungsdienst gefragt: «Diese Fachleute – Historiker mit Zusatzstudien – sind das Bindeglied zwischen der Bibliothek und den Bundesämtern», meint Müller. Während kurz abgehandelte Recherchen maximal eine Stunde dauern, können komplexe Anfragen den Forschungsdienst zwei Stunden bis einen halben Tag beschäftigen. «Es gibt auch solche, die in richtiggehende Studien ausarten und die Recherche mehrere Tage in Anspruch nimmt.» In solchen Fällen müssen oft Expertenmeinungen von aussen eingeholt oder Bücher beim bibliothekarischen Leihverkehr bestellt werden. So stellt die Bibliothek am Guisanplatz dem Kunden je nach Anfrage eine breite Dokumentation zur Verfügung, die in jedem Fall kostenlos ist. Manchmal muss der Forschungsdienst die Leute an andere Stellen weiterleiten: «Bei Fragen zur Eisenbahngeschichte zum Beispiel an die SBB Historic», sagt Müller.

Bibliothek mit Sammlungen und Vortragsreihe

2007 wurde die 1948 auf Betreiben von General Henri Dufour (1787-1875) gegründete Eidgenössische Militärbibliothek EMB zur Bibliothek am Guisanplatz BiG. Seit 2009 leitet die Bibliothek koordinierend die Bibliotheken der Bundesverwaltung. Nun befinden sich alle unter dem Dach des ehemaligen Zeughauses am Guisanplatz.

«Viele Leute glauben irrtümlicherweise, unsere Bibliothek sei nur für die Bundesverwaltung oder die Armee da»

Andrea Grichting, Chefin des Service Public der Bibliothek am Guisanplatz

Noch immer versteht sich die BiG als Kompetenzzentrum für Militärisches und Militärgeschichtliches, jedoch konzentriert sie sich auch auf die Sicherstellung der langfristigen Versorgung von internationaler Fachliteratur in mehreren Fachbereichen – etwa in Geschichte, Politik, Energie, Recht oder Wirtschaft. Ausserdem beherbergt sie exklusive Sammlungen wie jene der Militärpostkarten oder jene Heberleins. Die Bibliothek hat auch eine eigene Vortragsreihe. Im Januar etwa referierte Corina Eichenberger, Nationalrätin und Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission, zum Thema «Herausforderungen der aktuellen Sicherheitspolitik der Schweiz».

Mit Zugriff auf vergriffene Fachliteratur

«Viele Leute glauben irrtümlicherweise, unsere Bibliothek sei nur für die Bundesverwaltung oder die Armee da», erzählt Grichting. Die Dienstleistungen sind aber kostenlos und für alle zugänglich. Hauptsächlich erhalte man aber schon Anfragen von Leuten, so Grichting, die das Material zum Arbeiten brauchen – ob dies nun Bundes- oder Armeeangestellte, Studierende, Professorinnen und Professoren oder auch mal Botschaftsangestellte seien. So wie der schwedische Botschafter, welcher der Bibliothek gerade einen Besuch abstattete, um sich aufgrund der aktuellen Lage in Korea Material zur Koreamission zu beschaffen. Grichting findet es interessant, dass oft auch Professorinnen und Professoren bei der Bundesbibliothek bezüglich Material anfragen: «Sie können ja auf bestens bestückte Universitätsbibliotheken zugreifen. Aber offenbar verfügt unsere Bibliothek besonders im Bereich Militärhistorik über Fachliteratur, die sonst womöglich vergriffen ist oder in einer Bibliothek steht, wo man keinen Zugang hat.» So flatterte auch schon mal eine Anfrage eines australischen Professors ins Haus.

Digitale Postkartensammlung

Eine der exklusiven Sammlungen der Bibliothek ist die nationale Militärpostkartensammlung. Tausend dieser Karten wurden digitalisiert und sind online verfügbar.
 «Zum Kaisermanöver haben wir bei uns 140 Postkarten», erzählt Müller. Besonders interessant daran ist, dass sämtliche Postkarten beschriftet sind und somit nicht nur das Sujet als historische Quelle wertvoll ist. Eine noch bedeutendere Sammlung ist die Autographensammlung Dr. Georg Heberlein: Die Sammlung umfasst schriftliche Zeugnisse der Hauptdarsteller aus fünf Jahrhunderten Weltgeschichte – darunter Dokumente von Karl dem Kühnen, Napoleon, Hitler, Einstein oder Reagan. Die Sammlung wurde der Eidgenössischen Militärbibliothek 1995 von den Töchtern Heberleins übergeben. Im «Charles-Félix Keller» der BiG sind einige dieser bedeutenden Dokumente ausgestellt – Führungen hinter die dicken Sicherheitstüren gibt es ausschliesslich auf Anfrage.