Grabsteine vor dem Tod bewahrt

von Eliane Oesch 20. März 2013

Auf einer Wiese im neuen Teil des Schosshaldenfriedhofs befindet sich fast ein bisschen versteckt das wohl kleinste Museum der Stadt: das Museumsgrabfeld. Dort sind rund 50 Grabmale von aufgehobenen Grabstätten aufgestellt, welche gestalterisch wertvoll und für ihre Epoche typisch sind.

Wenn auf den Berner Friedhöfen Gräber nach der Mindestruhedauer von zwanzig Jahren aufgehoben werden und die Angehörigen den Grabstein nicht behalten wollen, werden die einst meist teuer angefertigten Steine geschreddert. Auf dem Schosshaldenfriedhof werden jedes Jahr ein oder zwei besonders schöne Grabsteine aus aufgehobenen Abteilungen aufs sogenannte Museumsgrabfeld im neuen Teil des Friedhofs versetzt. Auf dem 1983 errichteten Feld befinden sich mittlerweile rund 50 Exponate.

«Jährlich werden ein paar Grabmäler prämiert»

Die Errichtung eines Museumsgrabfelds gehe auf eine Aufforderung der sogenannten Grabmalkommission zurück, erklärt Simon Zwygart, der seit 2007 Leiter des Schosshaldenfriedhofs ist und zuvor bereits acht Jahre als Gärtner auf dem Friedhof an der Grenze zu Ostermundigen gearbeitet hat. Seit 1957 werden in Bern bei der Neuversetzung von Grabstätten ein paar wenige Grabmäler ausgezeichnet: «Es handelt sich dabei um Grabmäler, die herausragend gestaltet sind», so Zwygart. Dabei ist es die Aufgabe der städtische Grabmalkommission einzustufen, welche Grabmäler die Anforderungen erfüllen. Manchmal werden Gräber auch prämiert, weil sie neben der hervorragenden Ausführung sehr speziell sind oder einen guten Bezug zu den Verstorbenen herstellen. Bei der Prämierungsfeier werden der Künstler und die Angehörigen ausgezeichnet.

Zeittypische Beispiele der Grabmalkunst

«Der Grossteil der Ausstellungsstücke stammt erst aus den Jahren 1950 bis 1980»

Simon Zwygart, Leiter des Schosshaldenfriedhofs

Wenn man die Grabmäler schliesslich nach der Ruhedauer aufhebt, schaut man diese genau an – besonders jene, die schon zu einem früheren Zeitpunkt prämiert wurden: «Meist wird eines davon zur Weitererhaltung auf dem Museumsgrabfeld berücksichtigt», erzählt der Friedhofsleiter. Doch nach welchen Kriterien wird bei der Auswahl vorgegangen? Das Protokoll der Grabmalkommission besagt, dass die Grabsteine auf dem Museumsfeld zeittypische Beispiele von Grabmalkunst darstellen sollen. Somit wird von einem bestimmten Grabmaltyp jeweils nur ein Exemplar aufgestellt. Nicht nur Grabmäler aus Stein, sondern auch aus Metall und Holz sollen auf dem Feld vertreten sein.

«Die Alterspatina belassen wir»

Der jüngste Stein wurde erst vor kurzem ins Museumsgrabfeld versetzt und stammt aus dem Jahr 1992. Der erste Grabstein des Felds ist von 1888 und somit aus den Anfängen des Schosshaldenfriedhofs, der 1877 eröffnet wurde und heute eine Grösse von 16,8 Hektar aufweist. Dieser ist laut Simon Zwygart eine Ausnahme: «Der Grossteil der Ausstellungsstücke stammt erst aus den Jahren 1950 bis 1980.» An den Steinen macht man nicht viel. Lediglich das Feld wird von den Friedhofsgärtnern betreut – damit alles sauber und ordentlich aussehe, sagt Zwygart. «Aber die Alterspatina belassen wir. Das gehört dazu.»

Friedhof als Freilichtmuseum

Das Museumsgrabfeld interessiere nur sehr Wenige, bedauert der Friedhofsleiter: «Die Leute, die sich danach erkundigen, sind fast ausschliesslich Friedhofsbesucher, denen das ‘Museumsgrabfeld’-Schild auffällt und die dann bei uns nachhaken, was es damit auf sich hat», erläutert Zwygart. Aufgrund der geringen Aufmerksamkeit hat es bisher auch noch nie eine spezielle Museumsgrabfeld-Führung gegeben. «Auf der regulären Friedhofsführung ist das Feld aber immer ein Ort, an dem man kurz stehen bleibt», mein Zwygart. Nebst dem Museumsgrabfeld zeige man bei der Führung auch immer eine der alten Familiengrababteilungen: «Denn erhaltenswerte Familiengrabmäler werden direkt vor Ort erhalten.» Und da diese Familiengrababteilungen über den gesamten Friedhof verteilt sind, könne man den ganzen Schosshaldenfriedhof auch als eine Art Freilichtmuseum betrachten, findet Zwygart.

Gartendenkmal mit wilden Orchideen

«Schliesslich sind Friedhöfe auch Gartendenkmäler»

Simon Zwygart, Leiter des Schosshaldenfriedhofs

Was man gemäss Zwygart auch nicht vergessen dürfe, ist, dass der Friedhof auch ein Park mit fantastischer Flora und Fauna sei: «Wir haben sehr viele schöne Pflanzen – etwa den Mammut-Baum im alten Friedhofs-Teil oder wilde Orchideen.» So sind die städtischen Friedhöfe auch im «Parkführer Bern» erwähnt, der im letzen Jahr beim Haupt Verlag erschienen ist. Ein Spaziergang durch die grüne Parkanlage lohne sich allemal: «Schliesslich sind Friedhöfe auch Gartendenkmäler», so Zwygart.

«Vielleicht nach einer Umgestaltung»

An der Museumsnacht Bern hat der Schosshaldenfriedhof bisher noch nie teilgenommen – so auch in diesem Jahr nicht. Jedoch sei eine künftige Teilnahme laut Zwygart nicht ausgeschlossen: «Der Bremgartenfriedhof, der vor zwei Jahren an der Museumsnacht als Gast dabei war, ist mit dem Nachtspaziergang der Stadtgärtnerei auf gute Resonanz gestossen.» Ein Hindernis für eine Teilnahme sieht Zwygart in der Gestaltung des Museumsfelds: «Man hat sich schon mehrmals Gedanken darüber gemacht, das Feld besucherfreundlicher zu platzieren oder besser zu beschildern. Es gibt dazu aber noch keine definitiven Pläne.»