Viel Theater auf wenig Raum

von Eliane Oesch 19. März 2013

Mit der Schweizerischen Theatersammlung ist in Bern die nationale Dokumentations- und Auskunftsstelle des Schweizer Theaterschaffens angesiedelt. Das Archiv, die Fachbibliothek und das Museum beantworten Fragen rund ums Theater.

Die Schweizerische Theatersammlung geht auf das Jahr 1927 zurück, als in Luzern die Schweizerische Gesellschaft für Theaterkultur (SGTK) gegründet wurde: «Der Zweck war damals die Errichtung eines Theatermuseums, eines Theaterarchivs und eines Lehrstuhls für Theaterwissenschaft in der Schweiz», erklärt Christian Schneeberger, der in der Schweizerischen Theatersammlung Leiter der Dokumentation ist und in diesem Jahr sein 30-Jahr-Jubiläum in der Institution feiert. «Die Vorstandsmitglieder begannen privat Theatralia zu sammeln und stellten seit Beginn der 40er-Jahre grosse Wanderausstellungen zusammen», erzählt er weiter. Das Sammelgut konnte bis 1979 in der Schweizer Landesbibliothek gelagert werden, bis diese Eigenbedarf der Räume anmeldete. Schliesslich wurde 1978 von der SGTK die Schweizerische Theatersammlung gegründet – getragen von Bund, Kanton, Stadt Bern und Stiftungskapital. Und so wurden 1985 Bibliothek und Archiv sowie zwei Jahre darauf die Dauerausstellung an der Schanzenstrasse offiziell eröffnet.

«Sehr viele unserer Materialien wandern»

Die Dauerausstellung «Theater in Gegenwart und Geschichte» versucht einen Überblick über die unterschiedlichen Formen des institutionellen Theaters in den verschiedenen Jahrhunderten zu geben. Dabei wird die Vielfalt des Schweizer Gegenwartstheaters in den Kontext der europäischen Theatergeschichte gestellt.

«Sehr viele von unseren Materialien gehen auf Wanderung in Ausstellungen auf der ganzen Welt.»

Christian Schneeberger, Leiter Dokumentation Schweizerische Theatersammlung

Die Sammlung verfügt über einen reichhaltigen Bestand: «Wir sind froh über alles, was wir haben. Aber weil es hier so eng ist, wissen wir gar nicht, wohin mit diesen wunderbaren Sachen», sagt Schneeberger. «Sehr viele von unseren Materialien gehen auf Wanderung in Ausstellungen auf der ganzen Welt.» Wie etwa der Nachlass des Genfer Bühnenreformators Adolphe Appia, der in den Händen der Schweizerischen Theatersammlung ist.

Ziehen, Drehen und Hebeln

Die Ausstellung bietet nebst Rekonstruktionen von theatertechnischen Erfindungen, Bildern, Objekten und Theater- und Bühnenbaumodellen etwas Einzigartiges: «Sie ist didaktisch ausgerichtet», erzählt Schneeberger, «wobei wir die Informationen anhand des Systems der sogenannten interaktiven Präsentationsmedien vermitteln.» So könne man einem Modell durch Ziehen, Drehen oder Hebeln Informationen zu zehn Subthemen des Theaters entlocken – wie Kostüme, Regie oder Publikum. Man habe für jede Epoche die entsprechenden Bühnenverwandlungstechnologien genommen: «Für die Darstellung der Epoche der alten Römer das erste Vorhangsprinzip, für das 19. Jahrhundert die Erfindung des Scheinwerfers und für das 20. Jahrhundert Bildschirme», erklärt Schneeberger. «Der Besucher soll nachempfinden können, wie früher so ein Theater gemacht wurde.»

Bedauernswerte Sammlungslücke

Zum Theater des 20. Jahrhundert besitzt die Institution sehr viel Sammelgut. «Leider verfügen wir nur über relativ wenige Dokumente aus dem 18. und 19. Jahrhundert», bedauert der Leiter der Dokumentation. Ein Grund dafür ist, dass die Theater in der Schweiz bis weit ins 19. Jahrhundert Wandertruppen waren. «In Deutschland hat man von dieser Zeit viel mehr Belege, da es dort Fürstenhäuser gab, die sich schon im 18. Jahrhundert ein Theater leisteten und das Material im fürstlichen Fundus aufbewahrt wurde», erläutert Schneeberger. Ein weiterer Grund für die Sammlungslücke ist die eher späte Gründung der Schweizerischen Theatersammlung und dass erst im 20. Jahrhundert mit dem Sammeln von Theatralia begonnen wurde.

Bernische Theatergeschichte in Polen

Diesen Sommer wird im Rahmen eines Forschungsprojekts von PD Dr. Heidy Greco-Kaufmann, der Direktorin und Forschungsleiterin der Schweizerischen Theatersammlung und Dozentin am Institut für Theaterwissenschaft, am «4th Triennial Colloquium of the Société Internationale pour l’Étude du Théâtre Médiéval» in Poznan (Polen) ein Theaterstück der Schweizerischen Theatersammlung über die Bühne gehen. Der Arbeitstitel lautet «Carousing clergymen, angry peasants and a mocking city jester. A Collage of Bernese carnival plays». «Darin wird eine Gruppe von acht bis zehn Leuten involviert sein. Unsere Aufgabe ist es, ein paar Stücke von Niklaus Manuel, einem Berner aus der Reformationszeit, so zu collagieren, dass sie zum Thema passen», so Schneeberger. In Bern wird dieses Stück voraussichtlich im Frühling 2014 zu sehen sein, wenn die Institution im Kornhausforum mit einer Ausstellung zum Thema «Bernische Theatergeschichte» gastiert. «Ich spiele übrigens den Papst», lacht Schneeberger. Er habe früher im Amateurtheater gespielt und feiere als Papst quasi ein Bühnen-Comeback.

Hoher Besuch aus Interlaken

Das Motto der Schweizerischen Theatersammlung heisst an der diesjährigen Museumsnacht «Wilhelm Tell auf der Bühne». Der Grund dafür ist laut Simone Gfeller, Hilfsassistentin in der Institution und unter anderem zuständig für die Museumsnacht, das 500-Jahr-Jubiläum der Tellspiele Altdorf und das 100-Jährige der Tellspiele Interlaken. Auf die Besucher wartet ein besonderes Zückerchen: «Der aktuelle Telldarsteller aus Interlaken wird uns besuchen – Kostüm und Armbrust inklusive. Er wird bestimmt Spannendes aus dem Theateralltag erzählen können», verrät Gfeller.

«Der aktuelle Telldarsteller aus Interlaken wird uns besuchen – Kostüm und Armbrust inklusive.»

Simone Gfeller, Hilfsassistentin

Zusätzlich wird es von Greco-Kaufmann Führungen geben, die sich speziell auf das Tellspiel-Modell Interlaken konzentrieren. In Kinoatmosphäre kann ein Zusammenschnitt der wichtigsten Tell-Szenen aus Film, Schauspiel und Oper im Quervergleich erlebt werden. Schneeberger erläutert: «Zum Beispiel ‹Der Apfelschuss› im Spielfilm von 1921, in der Skandalinszenierung von Basel 1991 und in der Interlakener Version. So sieht man in knapp einer halben Stunde, wie unterschiedlich man die genau gleiche Szene umsetzen kann.»