Es ist Sommer

von Gerhard Meister 13. Juli 2016

Sommerpause. Sommerloch, ballrundes riesengrosses Sommerloch, das die EM gerissen hat dadurch, dass sie vorbei ist. Es fallen keine Tore mehr, es fällt keiner mehr hin der 22 Millionäre auf dem grünen Gras, es fällt nur noch der Sommerregen, gefolgt, man darf es hoffen, von Sommersonnenschein.

Die Zeitungen werden dünn, die Mails bleiben aus. Die Tage fliessen ineinander. Alles ist plötzlich weit weg. Seit Tagen hat man nichts mehr von Hillary und Donald gehört. Wurde der amerikanische Wahlkampf abgeblasen? Der IS bombt noch, aber weit von hier, auch wenn die Toten in die Hunderte gehen, in der Zeitung bleiben davon nur ein paar Zeilen, einspaltig. Es ist Grillsaison.

Das Ozonloch ist weiter am Zusammenwachsen und Abheilen, die Eisbären am Nordpol haben sich auch wieder vermehrt (vielleicht nur ein Zwischenhoch auf dem Weg zur ausgestorbenen Spezies). In Kenia wurden vor kurzem viele Tonnen konfisziertes Elfenbein verbrannt, wer weiss, ob das den afrikanischen Elefanten rettet. Der indische wird als Arbeitstier überleben.

Sommerpause, gelockerter Dresscode in den Büros, aufgeweichte Ansprüche an Texte, was ihre Logik und Folgerichtigkeit angeht. Auch vom Argumentieren ist man jetzt ein wenig dispensiert. In den Schulen sind die Zeugnisse verteilt, der Lehrerin wird noch einmal die Hand gegeben (der Vater der beiden handgebunwilligen Jungs aus dem Baselländischen soll sich mittlerweile auf Al-Jazeera über die Intoleranz beschwert haben, die der von ihm an seine Söhne weiter gegebenen Tradition des Frauen Nichthandgebens in der Schweiz entgegenschlägt, so legt es jedenfalls der Blick in einen Blick am Abend nahe, der vor kurzem (Tage, Wochen oder gar schon Monate?) vom Verfasser dieser vom Sommer durchlüfteten und in die Gefilde des Ungefähren verwehten Zeilen getan ward.

Auch stilistisch (Antiquiertes in den Bereichen Wortwahl und Metaphern beispielsweise) erlaubt der Sommer Freiheiten, die der graue Rest des Jahres nicht kennt. Was ist mit den Alpen los? Bröckeln sie? Laufen die abgetauten Gletscher an ihren felsigen Wangen hinab? Natürlich bleiben Fragen. Fragen bleiben immer, aber sie drängen nicht, sie sind einem sogar ein bisschen egal.

Der Auslösemechanismus für schlechtes Gewissen, den das Fehlen von Interesse an Fragen, wo dieses nicht fehlen dürfte, darstellt, gibt sich ziemlich schlapp. Und um einen anständigen Schlusssatz, der jeder und jedem unmissverständlich das Zeichen gibt, dass es jetzt vorbei sei mit der Lektüre, kümmern sich in diesen Tagen nur wenige Unentwegte.