L’art pour l’art

von Gerhard Meister 2. Dezember 2015

Max Tegmark kam am 5. Mai 1967 auf die Welt und ist damit genau zwei Tage jünger als ich, der hier diese Zeilen schreibt. Aber darum geht es jetzt natürlich nicht.

Denn über Max Tegmark schreibe ich, weil er ein Buch geschrieben hat, das unter dem Titel “Unser mathematisches Universum” in diesen Tagen auf Deutsch erschienen ist. Keine Angst, das wird keine Buchbesprechung. Ich hatte “Unser mathematisches Universum” zwar in der Buchhandlung in der Hand, habe auch darin herumgelesen, doch gekauft habe ich es nicht. Warum nicht? Eins nach dem anderen.

Max Tegmark ist übrigens seit dem Jahr 2000 Professor am Massachusetts Institut of Technology (MIT) und dort auch Direktor des Fundamental Questions in Physik Institutes (FQXi). Doch wie schon gesagt: eins nach dem andern.

Max Tegmark ist zwei Tage jünger als ich, das heisst, wir sind praktisch genau gleich alt. Und das Wörtlein praktisch kann ich mir eigentlich mit gutem Gewissen schenken. Auf 48 und ein halbes Jahr gerechnet, sind zwei Tage im Bereich eines Rundungsfehlers.

Max und ich sind also genau gleich alt (ich denke, ich darf ihn, wenigstens in diesem Text, als derart präzisen Altersgenossen duzen), Max ist in Schweden aufgewachsen, ich in der Schweiz. Das sind durchaus vergleichbare Länder, für die Mehrheit der Menschen auf diesem Planeten wohl sogar dasselbe.

Max und ich teilen weitere Gemeinsamkeiten. Wir haben beide schon als Kinder sehr gerne gelesen. Er hat Agatha Christies “Der Tod auf dem Nil” verschlungen, und obwohl der Wecker um sieben klingelte, konnte er nicht aufhören mit Lesen, bis der Mordfall gelöst war. Beide haben wir also im gleichen Alter Bücher verschlungen statt zu schlafen. Doch gingen hier unsere Wege schon auseinander.

Am Buch hat mich die Literatur interessiert, Max der Krimi, die Auflösung des Rätsels. Er hat Rätsel lösen zu seinem Beruf gemacht und dabei den Einsatz maximal gesteigert, statt einen Mordfall, wie der Krimi das tut, will er als Kosmologe das Rätsel des Universums lösen. Und behauptet nun, das Wesen und Eigentliche des Universum sei die Mathematik.

Jede mathematische Struktur, so Max, führe irgendwo zu einer materiellen Entsprechung, wenn nicht in diesem Universum, dann in einem anderen. Universen gibt es in der modernen Physik ja endlos viele und dauernd spalten sich diese in weitere Paralleluniversen auf, in dem auch Doppelgänger von einem selber anzutreffen sind oder Varianten von Doppelgängern und irgendwo gibt es nach dieser Logik auch ein Universum, in dem damals mich in der Schweiz beim Lesen im Bett der Krimi mehr interessiert hat als die Literatur und ich deshalb das Rätsel lösen zu meinem Beruf gemacht habe, während Max in Schweden zur gleichen Zeit den Krimi zwar auch spannend fand, aber doch mehr an der Literatur interessiert war als am Mordfall und deshalb seinen Beruf in Richtung der Literatur suchte und auch fand, so dass er heute Texte schreibt wie diesen, die für mich, der ich nun Professor der letzten Fragen des Universums geworden bin, zwar durchaus ihren Reiz haben, in denen ich aber trotzdem nicht mehr sehen kann als eine letzten Endes sinnlose Spielerei, während Max im Paralleluniversum mein Rätsel lösen zwar fasziniert (und auch sein eigene Rätsel lösen im Paralleluniversum faszinieren würde, gäbe es irgendwelche Kontaktmöglichkeiten zwischen Paralleluniversen), er es aber genau wie ich in diesem Universum als im Grunde sinnlose Spielerei betrachtet, weil diese Theorien doch immer nur Theorien bleiben, die aus bestimmten mathematischen Formeln geschlossen werden können oder sogar müssen, aber dennoch mit der Wirklichkeit hier auf der Erde und im Leben der Menschen nichts zu tun haben.

L’art pour l’art also, genau wie dieser Text.