Swiss miniature

von Gerhard Meister 25. Februar 2015

Ich sitze im Swiss Miniature auf einem Plastikstuhl. Und die Sonne und der zweifache Celsiusbetrag überfluten mich mit Wellen von Glück. Seit Monaten habe ich das nicht mehr gehabt und hätte es eigentlich noch immer nicht.

Auf der Alpennordseite ist es kalt und trüb, aber zum Glück sind wir Schweizer ja auch auf der anderen Seite der Alpen zuhause und haben für solche Fälle das Tessin, nahe gelegen, wie alles in unserem kleinen Land, und sowohl kulturell als in diesen Tagen vor allem auch klimatisch doch ganz verschieden.

Als Bewohner eines kleinen Landes überblicke ich seine miniaturisierte Abbildung, eine groteske Ballung von Burgen und Schlössern, von der Höhe her vergleichbar mit meinen Kindern, die zwischen ihnen herumrennen.

Eigentlich ist das Swiss Miniature als Grünfläche, auf der das Mittelalter dominiert, eine tolle Parodie auf diejenige Schweiz, von der noch immer einige meinen, es hätte sie einmal gegeben und ihr nun nachtrauern.

Alles ist etwas in die Jahre und herunter gekommen in diesem Swiss Miniature, auch auf dem Flughäflein Zürich-Kloten – eine der spärlich eingestreuten Konzessionen an die moderne Welt – ist die Zeit sichtlich im letzten Jahrhundert stehen geblieben.

Die Zukunft steht in Form einer chinesischen Reisegesellschaft herum.

Ich betrachte, träge und verträumt in der Sonne sitzend, diese Menschen, die so entspannt und selbstverständlich in dieser kleinen Schweiz herumstehen – wie Kolonialherren, fährt es mir plötzlich durch den Sinn. Unsere Zeit liegt hinter uns und sie haben den Laden übernommen.

Sogar für den Rassismus, der zu einer solchen Situation gehört, habe ich plötzlich ein Gespür. Es würde mir nichts nützen, mich in ihre chinesische Mode zu stürzen, mich zu verhalten wie sie, so viel zu leisten wie sie, ein Blick in meine Augen und da wäre schon ihr Gedanke: Aber er ist trotzdem ein Schweizer.

Mittlerweile sitzen auch meine Frau und meine Kinder bei mir, da klickt es in meinem Rücken.

Ich blicke den Chinesen mit seinem Fotoapparat grimmig an. Er lächelt, nicht sehr verlegen und ich kann ihn auch verstehen. Kinder mit blonden Locken, das sieht für Chinesen halt wirklich wunderbar exotisch aus.

Um mich aus der Untermenschenposition herauszuspielen, stelle ich ihn zur Rede: Wie lange seid ihr in Europa unterwegs? Two weeks, ist die Antwort. Zwei Wochen in Europa und davon verbringen die zukünftigen Herren der Welt einen halben Tag im Swiss Miniature.

Ich räkle mich schläfrig in der Sonne.