Vor den Vorhang treten – jetzt!

von Guy Krneta 1. Oktober 2014

Als die Masseneinwanderungsinitiative angenommen wurde, sind Mitglieder der Stadttheaterensembles von Bern und Basel vor den Vorhang getreten. Sie haben nach Vorstellungen öffentlich gegen den knappen Volksentscheid demonstriert.

Irrittierend daran war nur, dass sie das nach der Abstimmung taten und nicht davor.

Nicht nur Künstlerinnen und Künstler haben die Masseneinwanderungsinitiative unterschätzt. Auch die Linke hat sich auf das Geld und den Einfluss der Wirtschaft verlassen und nicht einmal ein eigenes Gegenkomitee auf die Beine gestellt.

Zweimal macht niemand den gleichen Fehler. Ein breit aufgestelltes linkes Komitee hat sich nun gegen die noch verheerendere Ecopop-Initiative gebildet. Und die Kunstschaffenden – genauer der Verein Kunst+Politik – ruft zu einem Nationalen Tag der Kunst gegen Ecopop am 25. Oktober auf.

Die Idee ist einfach: Künstlerinnen und Künstler, die an dem Tag sowieso auftreten, sollen ihr Publikum durch einen persönlichen Aufruf darüber informieren, welch gravierende Folgen die Ecopop-Initiative für die Kunst und das Kunstschaffen in diesem Land hätte.

Dabei würde die Annahme wohl in erster Linie die Institutionen treffen. Das Theater und das Opernhaus, das nur noch Schweizerinnen und Schweizer verpflichten darf, ist schwer vorstellbar. Und auch Museen, Orchester, Festivals und Kunsthochschulen würden vermutlich vor kaum lösbare Probleme gestellt.

Umso mehr überrascht die Reaktion einiger Institutionen auf die Anfrage von Kunst+Politik, ob sie sich am Nationalen Tag der Kunst gegen Ecopop beteiligen würden: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns in unserer Rolle als Veranstalter nicht politisch exponieren möchten“… „Im Prinzip entspricht die Stossrichtung durchaus unseren Interessen, sind wir doch auf möglichst grosse Personenfreizügigkeit innerhalb Europas und darüber hinaus angewiesen. Dennoch sind wir zum Schluss gekommen, dass wir uns als öffentlich finanzierte Institution nicht derart politisch exponieren können“… „Als staatlich subventionierte Institution orientieren wir uns generell am Gebot der politischen Neutralität“… „Als Festival können wir uns NICHT für die EcoPop-Nein-Kampagne engagieren, obwohl die OK-Mitglieder persönlich natürlich gegen die Initiative sind“.

Das ist ein seltsames demokratisches Selbstverständnis, das meint, öffentliche Gelder würden zu politischem Eunuchentum verpflichten. Selbst wenn Grundlegendes in Frage gestellt wird. Und politische Auseinandersetzungen seien dem privaten Geld zu überlassen.

Hoffen wir, dass wenigstens die Künstlerinnen und Künstler selbst begreifen, was auf dem Spiel steht. Und vor den Vorhang treten – diesmal rechtzeitig.