Was mir Spanisch vorkommt

von Beat Sterchi 11. August 2013

Jetzt gleich werde ich Euch etwas sagen und Ihr könnt alle sicher sein, dass das, was ich Euch gleich anvertrauen werde, von grosser Bedeutung ist und auch Ihnen geschätzter Leser und Ihnen geschätzte Leserin kann ich versichern, dass dem so sein wird.

Und ich kann Ihnen allen ebenfalls versichern, dass es mir ein sehr grosses Vergnügen bereitet Ihnen mitzuteilen, was ich ihnen sogleich mitteilen werde, um so mehr als ich es in einer Sprache tun kann, von der wir alle wissen, welch einen Reichtum an Möglichkeiten diese zu bieten hat, um genau das auszudrücken, was es auszudrücken gilt und was ich hiermit, wenn Sie gestatten, gleich tun werde.

Genau das ist klassische Spanische Rhetorik, von der niemand annehmen sollte, dass sie der Vergangenheit angehört. Es ist die Rhetorik der Sprachverliebten, die verlangt, dass nichts gesagt wird, bevor nicht angekündigt wurde, dass man etwas sagen werde. So redet man Spanisch, man redet nicht einfach, um etwas mitzuteilen, man redet zuerst einmal, um zu reden und um sich dem Vergnügen hingeben zu können von dieser wohlklingenden Sprache Gebrauch zu machen, notfalls ohne weitere Absicht als einfach zu reden. Und dass die Spanier grösstenteils sprachverliebt sind, daran kann kein Zweifel bestehen. Es gibt nicht wenige Spanier und Spanierinnen, die ihre Sprache derart lieben, dass sie, um länger reden zu können, alles gleich zweimal sagen. Sind sie sich bewusst, dass ihr Gegenüber ihre edle Sprache nur beschränkt beherrscht, benützen sie diesen Umstand, um alles gleich drei- bis viermal wiederholen zu können.

Dabei reden sie natürlich auch viel Schrott, viel an sich Nichtssagendes, viel Überflüssiges, viel Offensichtliches, aber möglicherweise ist es sowieso gesünder jede Kleinigkeit zu erklären und zu verhandeln als gar nichts zu sagen. Denn etwas bleibt immer und wenn es nur die beim Reden gemeinsam gut verbrachte Zeit ist.

Vielleicht liegt es an dieser Liebe zur eigenen Sprache, dass Spanien bisher ein Land war, welches Fremdsprachen keine grosse Bedeutung beimass. Grosse Liebe zur eigenen Sprache, aber keine für all die andern, nicht selten auch sehr schönen Sprachen.

Noch heute ist der Sprachunterricht in der Regel dürftig. Es wird geklagt über veraltete Lehrmittel, überholte Methoden und nicht selten über Lehrer, die im Buch kaum mehr als ein paar Seiten weiter sind als die ihnen anvertrauten Schüler. So gibt es Französischlehrer, bezahlte wohlverstanden, die nicht Französisch können und Englischlehrer, die diesen Namen entschieden auch nicht verdienen. Wer weiss, ob in dem wieder einmal aufgeflammten Knatsch mit Grossbritannien wegen Gibraltar nicht auch eine Sprachdimension zu finden wäre. Immerhin sagt man, Spanien sei das einzige europäische Land mit einem Präsidenten, der kein Englisch spricht.

(…schreibt Beat Sterchi direkt aus Spanien. Anm. der Red.)