Wer soll das bezahlen? Lobbykampf um Bundesgeld

von Richard Aschinger 18. Dezember 2012

Der Kanton Bern steigt mit einem Grossprojekt in den Kampf um knappes Bundesgeld: In einer ersten Etappe sollen mit Kosten von 870 Millionen ein neuer Bahnhof für die Regionalbahn RBS und neue Publikumsanlagen für den Gesamtbahnhof gebaut werden. Baudirektorin Barbara Egger sieht ein hartes Ringen und verspricht «Lobbying auf höchste Ebene». Im Klartext. Barbara Egger setzt auf Solidarität von Verkehrsministerin Doris Leuthard. Entscheiden wird aber wohl die Frage, ob eine halbe Milliarde für den Ersatz eines Schmalspur-Kopfbahnhofs landesweit als verkehrspolitisch zwingende Investition gewertet wird.

Nach jahrelangem Schlingerkurs hat sich die vom Kanton Bern geführte Projektgruppe «Zukunft Bahnhof Bern» (ZBB) quasi in letzter Minute für ein konkretes zweistufiges Ausbauprojekt entschieden. Gebaut werden sollen in einer ersten Etappe 2016 bis 2025 unter der bestehenden SBB-Geleisehalle ein neuer Bahnhof für die Meterspurbahn Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS), als Ersatz für den bestehenden querliegenden Tiefbahnhof mit ebenfalls vier Geleisen, der heute an der Kapazitätsgrenze läuft. Und ein neuer West-Zugang zum Bahnhof zwischen der heutigen Unterführung und der 2005 als Lösung in hoher Zeitnot erstelle Holz-«Welle» bei der Schanzenbrücke. Für den RBS-Bahnhof werden Kosten von 520 Millionen, für die neuen Publikumszugänge Kosten von 350 Millionen Franken veranschlagt. Der neue RBS-Bahnhof entspricht grundsätzlich den 2008 präsentierten Plänen, die zurückgezogen wurden, als ein ETH-Gutachten das Kosten Nutzenverhältnis als ungenügend taxierte.

Die zweite nach 2025 zu realisierende Etappe ist gegenüber den Plänen von 2008 radikal verändert. Für den Normalspurbetrieb der SBB und der von der BLS geführten Berner-S-Bahn ist kein Tiefbahnhof mehr vorgesehen. Die SBB wollen ihren Normalspurbahnhof jetzt auf dem heutigen Geleiseniveau im Hügel unter dem Universitätshauptgebäude um vier Geleise erweitern.

Die Berner Projektentscheide kommen in letzter Minute: 2013 fallen wichtige Entscheide über die landesweite Finanzierung von Bahninfrastrukturprojekten durch den Bund. Beim seit 2006 bestehenden Infrastrukturfond für Agglomerationen (IF) wird der Bundesrat im Frühsommer seine Vorschläge vorlegen, welche Projekte der Bund für die zweite Generation ab 2015 unterstützt soll. Anschliessend wird das Parlament entscheiden. Landesweit sind Projekte mit Gesamtkosten von 20 Milliarden angemeldet. Der Bund zahlt grundsätzlich die Hälfte der Projektkosten. Vorgesehen sind Bundesausgaben von insgesamt 1,9 Milliarden. Die Unterstützungsgelder des Bundes sind damit um das fünffache «überzeichnet».

Parallel dazu laufen Entscheide über ein neues Finanzierungspaket für die Bahninfrastruktur bis 2030 (fabi), das als Gegenvorschlag gegen die Initiative des VCS «für den öffentlichen Verkehr» bezeichnet wird. Die VCS-Initiative verlangt eine Neuverteilung der Mineralölabgaben zugunsten des ÖV. In der zu Ende gegangenen Dezembersession hat der Ständerat den vom Bundesrat vorgeschlagenen Fabi-Finanzierungsplafond von 3,5 auf 6,4 Milliarden erhöht. Der Kanton Bern steht beim Fabi mit dem Projekt eines dritten Geleises zwischen Gümlingen und Münsigen bereits mit über 600 Millionen in der Warteschlange.

An der Medienkonferenz vom Dienstag machte die Berner Baudirektorin klar, dass das Berner Bahnhof-Projekt ohne Bundesgeld nicht realisierbar sei. Die prekäre Finanzlage des Kantons dürfe aber nicht dazu führen, dass Bern seine Infrastruktur den Entwicklungen nicht mehr anpassen könne. Der Kanton Bern habe für seinen Beitrag an die erste Etappe des Bahnhofausbaus 300 Millionen den Finanzplan gestellt. Egger sieht einem harten Verteilkampf entgegen. Konkret nennt sie als Konkurrenzprojekt die Pläne für einen Durchgangs-Tiefbahnhofs Luzern.

«Auf höchster Ebene gute Kontakte»

Barbara Egger, Regierungsrätin

Barbara Egger setzt auf kraftvolles Lobbyying in Bundesbern. Zu diesem Zweck seien «strategische Führungsgremien» am Werk. Bisher sei Zürich vom Bund besonders grosszügig gefördert worden, jetzt erwarte sie «Solidarität» mit dem zweitgrössten Kanton, dem zweitgrössten Bahnknoten des Landes und mit der Bundeshauptstadt. Sie habe «auf höchster Ebene gute Kontakte», sagte Barbara Egger. Darf man vermuten, dass sie da Verkehrsministerin Doris Leuthard meint?