Nun sag, wie hast dus mit der Energie?

von Beat Kohler 31. Oktober 2012

Bern wählt gerne Grün – wenn es um Politik geht. Geht es um Energie, dann macht der zertifizierte Ökostrom nur noch einen verschwindend kleinen Anteil aus. Auf Spurensuche bei den Kandidierenden für den Gemeinderat.

In Bern wählt eine Mehrheit Rot-Grün und es zeichnet sich nicht ab, dass sich daran bei den anstehenden Wahlen grundlegend etwas ändern wird. Allerdings gilt das in erster Linie für die Politik. Wenn es um den Stromverbrauch geht, sieht es anders aus. Mehr als die Hälfte der Bernerinnen und Berner beziehen Atomstrom. Nur rund drei Prozent des Stroms, den Energie Wasser Bern (EWB) verkauft, stammt aus neuen erneuerbaren oder zertifizierten Quellen.

Wasser predigen, Wein trinken?

Die Gemeinderatskandidatinnen und -kandidaten haben dafür unterschiedliche Erklärungen. Auf bürgerlicher Seite ist der Grundtenor klar: «Typisch: Wasser predigen und Wein trinken, wenn es ums eigene Portemonnaie geht», erklärt Vania Kohli, BDP, übereinstimmend mit anderen bürgerlichen Kandidierenden. Dieser Unterschied zeige, dass die Bevölkerungsmehrheit sich nicht annähernd so intensiv wie die Politikerinnen und Politiker für die Energiewende interessiere, glaubt Rudolf Friedli, SVP: «Die Leute haben viel zu bezahlen und sparen, wo sie können.» Beat Schori, SVP, geht noch einen Schritt weiter. Da die Bewohnerinnen und Bewohner bei Abgaben und Steuern nicht sparen können und diese sehr hoch seien, werde halt bei den Ausgaben für Strom gespart. «Den meisten Leuten ist verständlicherweise die Versorgung wichtiger als die Ideologie», so Schori.

Geht es nur um den Preis?

Verständnis für die Wahl des günstigeren Stroms zeigen auch die Vertreter von FDP und GLP. «Ökostrom wird deshalb erst interessant, wenn sich dessen Preis deutlich nach unten bewegt», ist Bernhard Eicher, FDP, überzeugt. Um dies zu ermöglichen, plädiert Claude Grosjean, GLP, dafür, die Mehrwertsteuer durch eine Energiesteuer zu ersetzen. Dadurch könnte der Atomstrom deutlich verteuert werden. Alexandre Schmidt, FDP, erinnert daran, dass sich die Energiefrage nicht auf den Stromverbrauch beschränkt und dass insbesondere auch die Stadt selber im Bereich der energetischen Gebäudesanierungen aktiver werden müsse. Bezogen auf den Strom, ist auch er überzeugt, dass ein günstiger Preis und nicht die politische Gesinnung für den Umschwung sorgt: «Die Energiewende gelingt, wenn das Stromangebot günstig ist und stetige Verfügbarkeit garantiert ist.»

Fehlt die Sensibilisierung?

Für Matthias Stürmer, EVP, wurden, nebst dem Argument des tieferen Preises, die Konsumenten zu wenig sensibilisiert, was die Möglichkeiten der Beeinflussung des eigenen Strommixes anbelangt. Den wichtigsten Grund für den tiefen Anteil an zertifizierten, neuen erneuerbaren Energien sieht Franziska Teuscher, GB, darin, dass EWB als Standardprodukt Strom aus 100 Prozent erneuerbarer Wasserkraft anbietet. Zudem seien auch Industrie und Gewerbe Kunden bei EWB. Diese achteten in erster Linie auf den Preis. Diese Sicht unterstützt Tania Espinoza, GFL. In den Jahren 2008 bis 2010 hätten 69 bis 80 Prozent der Geschäftskunden noch vom billigeren Atomstrom gekauft. «Erfreulich ist, dass gemäss Informationen des Gemeinderates gegenwärtig gesamthaft zirka 70 Prozent der Privatkunden Strom aus erneuerbaren Energien beziehen und also auf Atomstrom verzichten wollen», so Espinoza. Um den Anteil an Solarstrom weiter zu erhöhen, fordert sie, dass EWB künftig im Standardprodukt Solarstrom beimischt und so den Solarstromanteil von heute 0,08 auf 1 Prozent erhöht. Die Kosten würden so auf alle Stromkunden verteilt.

«Die Bevölkerung darf von einer rot-grünen Stadt erwarten, dass sie sich für eine ökologische Stromproduktion einsetzt.»

Ursula Wyss, SP

«Grundsätzlich ist aber fragwürdig, warum man für Atomstrom, dessen Produktion ein grosses Sicherheitsrisiko beinhaltet, viel weniger bezahlen muss als für zertifizierten Ökostrom, der die Umwelt schont», so Teuscher. Für Ursula Wyss, SP, liegt der Ball nicht bei den Wählerinnen und Wählern, sondern bei der Stadt. «Die Bevölkerung darf von einer rot-grünen Stadt erwarten, dass sie sich für eine ökologische Stromproduktion einsetzt», erklärt sie. Sie findet es enttäuschend, dass sich Bern nicht aktiv aus den AKW Gösgen und Fessenheim zurückzieht, sondern die Beteiligungen auslaufen lassen will. 2010 hatte das Stadtberner Stimmvolk beschlossen, bis 2039 aus dem Atomstrom auszusteigen. Diese Frist bereits 2030 anzusetzen, wurde damals an der Urne deutlich verworfen. Auch damals haben offensichtlich nicht alle, die Rot-Grün wählen, auch für den Ausstieg aus der Atomenergie votiert.


Nachgefragt

Energie Wasser Bern bietet seiner Kundschaft drei verschiedene Stromprodukte an: Ökostrom, der sich aus zertifizierter Sonnen- Wind- und Wasserkraft zusammensetzt, Naturstrom, der aus nichtzertifizierter Wasserkraft stammt, und Basisstrom, der aus Gösgen und Fessenheim, aber auch aus der Energiezentrale Forsthaus stammt. Wir haben bei den Kandidierenden für den Gemeinderat nachgefragt, welchen Strom Sie benützen und wie viel davon.

Kandidatin / Kandidat:

 

Welchen Strom kaufen Sie?

 

Wieviel Strom braucht ihr Haushalt im Jahr?


Bernhard

Eicher

(FDP)

 

EWB Naturstrom (ehemals EWB Wasserkraft)

 

710 Kilowattstunden für einen Haushalt mit 2 Personen, 3,5 Zimmer


Tanja

Espinoza

(GFL)

 

Unser Produktemix bei EWB setzt sich gegenwärtig wie folgt zusammen: Naturkraft Solar, Naturkraft Wasser, Bernerkraft (bis Ende April 2011) und Wasserkraft. Unser Hausbesitzer (wir sind Mieter) hat vor einigen Jahren eine Solaranlage auf dem Dach montieren lassen, was wir sehr begrüsst haben.

 

Gemäss unserer letzten Jahresabrechnung: 2’013 Kilowattstunden. Das Warmwasser wird im Haus zentral erwärmt und über die Nebenkosten abgerechnet.


Rudolf

Friedli

(SVP)

 

Kürzlich kam Post, dass es nun neue Produkte gebe und dass – wenn man nichts mitteile – man das Produkt X erhalte. Ich habe diesen Brief noch nicht eingehend studiert, weil ich gerade viel mit dem Wahlkampf zu tun habe. Bis anhin hatte ich ein Paket, bei dem nicht alles Atomstrom ist.

 

Das weiss ich nicht. Ich erhalte eigentlich immer nur eine ganz kleine Rechnung, weil ich meistens bei meinem Freund bin und meine Wohnung langsam zur Umkleidestation und Waschküche wird. 


Claude

Grosjean

(GLP)

 

100 Prozent zertifizierter Wasserstrom – was künftig gemäss Mitteilung EWB Ökostrom entspricht.

 

Zirka 1500 Kilowattstunden


Karin

Hess-Meyer

(SVP)

 

Wir kaufen Naturstrom.

 

 

Unser 5-Personen-Haushalt benötigt pro Jahr zirka 10’303 Kilowattstunden, mehrheitlich aus Wasserkraft.


Vania

Kohli

(BDP)

 

EWB Naturstrom (neuer Name ab 2012, vorher hiess der Mix EWB Wasserkraft)

 

1764 Kilowattstunden


Reto

Nause

(CVP)

 

 *

 

 *


Alexandre

Schmidt

(FDP)

 

Wir beziehen EWB Basisstrom.

 

Wir leben in einem Reihenhaus. Als wir es bezogen haben, investierten wir eine fünfstellige Summe in Energiesanierungen (Dachstock und Fenster). 
Unseren Gesamtstromverbrauch kenne ich nicht auswendig.


Beat

Schori

(SVP)

 

Den günstigsten.

 

Vom 01.06.2011 bis 31.05.2012 2984 Kilowattstunden.


Matthias

Stürmer

(EVP)

 

Ich hatte bisher den Wasserstrom, der neu dem EWB Ökostrom entspricht.

 

 *


Franziska

Teuscher

(GB)

 

Seit einem Jahr produzieren wir auf dem Dach unseres Hauses eigenen Solarstrom und Warmwasser. Diese Eigenproduktion entspricht ungefähr unserem Verbrauch.

 

Vor Inbetriebnahme unserer Solaranlage brauchten wir für unseren Vierpersonenhaushalt 4200 bis 4400 Kilowattstunden. In diesem Jahr wird es deutlich weniger sein, weil wir das warme Wasser mit Sonnenenergie produzieren.


Alexander

Tschäppät

(SP)

 

 *

 

 *


Beatrice

Wertli

(CVP)

 

Aktuell kaufen wir den günstigsten Strom (also inklusive Atomstrom).

 

Kosten: zirka 600 Franken im Jahr.


Ursula

Wyss

(SP)

 

Unser Haushalt kauft den von EWB angebotenen Ökostrom.

 

Das weiss ich nicht auswendig. Ich gehe aber davon aus, dass wir wegen dem (von den Vorbesitzern erst vor wenigen Jahren eingebauten) Elektroboiler relativ viel Strom verbrauchen.

* bisher keine Angaben