Die Bern-Utopie von Reto Nause (CVP)

von Dinu Gautier 9. Oktober 2012

Reto Nause, zur Wiederwahl antretender Gemeinderat, berichtet aus seiner utopischen Zukunft: Bern ist die «relaxed City» voller Bühnen, Musik und U-Bahnstationen.

«Berns wunderschöne Innenstadt ist die Kulisse, auf den Plätzen stehen die Bühnen. Die Märlitante, der Strassenmusiker, die Komikerin oder das Klassic-Ensemble: Sie sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken. Es fühlt sich ein wenig an, als fände das Buskers-Festival nun während der ganzen warmen Jahreszeit statt.

«Berns Speakers-Corner ist fast schon so berühmt wie jener im Hyde Park.»

Reto Nause, CVP

Die Bühnen sind fest installiert. Die Künstler treten teils spontan auf, teils legt Bern Tourismus das Programm fest. In der Spitalgasse scharen sich Einheimische wie Touristen um den Speakers-Corner, der mittlerweile fast so berühmt wie jener im Londoner Hyde Park ist.

In der Nacht, wenn die Bewohner der Altstadt schlafen wollen, verlagert sich das Geschehen in die Lokale an der Ausgehmeile, die heute neben der Aarbergergasse auch die Speicher- und die Nägeligasse umfasst. In diesem im Jahre 2012 vom damaligen Gemeinderat als Wachstumsperimeter bezeichneten Gebiet sind weitere Clubs und kleinere Kinos entstanden. Die Ambiance bei Live-Musik in den Jazzkellern braucht höchstens den Vergleich mit New Orleans zu scheuen.

Musik statt Sanitätspolizei

An der Nägeligasse, in der ehemaligen Garage der Sanitätspolizei, lädt ein Museum zum Besuch. Es ist dem erfolgreichsten Berner Kulturexport gewidmet: Der Rockmusik. Das Rockmuseum ist aber mehr als ein Ort des Rückblicks: Zwischen den Artefakten der Legenden treten die Stars von heute und morgen auf. Es sind viele. Im Moment wird die Hitparade von nicht weniger als zehn Berner Hip-Hoppern und Rockern angeführt – die sich nicht zu schade sind, auch mal spontan in einer Bar oder auf einer der Stadtbühnen aufzutreten.

Die Touristen strömen in Scharen nach Bern – bei Weitem nicht nur der Bühnenkultur wegen. «Most relaxed capital in the world» lautet der Slogan der Stadt. Er ist keine leere Marketinghülse. In Bern herrscht tatsächlich ein charmantes, mediterranes Feeling. Relaxed bedeutet nicht langweilig, sondern Lebensqualität durch Langsamkeit, wobei Langsamkeit die frühere negative Konotation verloren hat. Selbst Manager sitzen einfach mal in ein Strassencafé und sehen den flanierenden Leuten zu.

«Um das sternförmige U-Bahnsystem soll eine Ringbahn gebaut werden.»

Reto Nause, CVP

Apropos Flanieren: Die Markt- und Spitalgasse sind heute komplett verkehrsfrei. Neben dem Speakers-Corner prägen Strassencafés und grüne Inseln die beiden Gassen. Bäume, Palmen und Blumen in Töpfen, die Absenz der roten Tramwand: Ein ganz neues Raumfeeling.

In Bern finden zahlreiche wichtige Kongresse statt. Die Teilnehmer nehmen, anders als in anderen Kongressstädten, meist ihre Familien mit. Man schätzt Berns hervorragendes kulturelles und gastronomisches Angebot, das sich mit Tagesausflügen in die Natur ergänzen lässt – sei es ins Emmental oder aufs Jungfraujoch. In Bern lässt sich zudem dank der liberalisierten Ladenöffnungszeiten bestens shoppen. Für Sicherheit sorgen unbewaffnete und hilfsbereite Polizisten, von der Bevölkerung liebevoll «Bobbies» genannt.

Während die Innenstadt – abgesehen von den Bühnen und der neuen Verkehrsführung des Öffentlichen Verkehrs durch die Seitengassen – noch praktisch gleich aussieht wie in den 2010er-Jahren, hat sich in den Quartieren einiges getan. Alle Autobahnen und Geleise auf Stadtboden wurden überdacht und überbaut. Insgesamt sind über 10’000 neue Wohnungen, aber auch Gewerbe- und Büroraum entstanden.

U-Bahn statt Tram

Das Projekt Tram Region Bern war an der Urne gescheitert. Dann wagte man den grossen Wurf: Heute führt eine U-Bahn von Köniz via Bahnhof in die Länggasse. Der Bau war relativ günstig, weil man im Tagbau arbeitete. Eine weitere Linie ins Wylerquartier wird gerade gebaut. In Zukunft werden weitere Linien zum Bahnhof führen. Rund um das sternförmige U-Bahnsystem soll schliesslich eine Ringbahn entstehen, die nur teilweise unterirdisch geführt werden wird.

Bern ist Hauptstadt der Politik geblieben, Hauptstadt der Kultur geworden und baut als erste Schweizer Stadt eine richtige Metro: Kein Wunder strotzt Bern nur so vor Selbstbewusstsein. An ein Wunder grenzt hingegen, dass die Stadt trotzdem so relaxed geblieben ist.»