Landreserve oder Stadtbauernhof?

von Sabine Schärrer 29. April 2020

Die Zukunft des Bauernhofes in der Elfenau bewegt seit Jahren die Bewohnerinnen und Bewohner im Osten Berns. Eine Antwort des Gemeinderates auf einen Vorstoss hat erneut Bedenken geweckt. Eine Replik aus dem Quartier.

Die Quartierorganisationen, insbesondere QUAV4, die IG Elfenau, der Kirchenfeld-Brunnadern Elfenau-Leist und viele QuartierbewohnerInnen setzen sich seit Jahren dafür ein, die Zukunft des Elfenauhofs als nachhaltiger Stadtbauernhof neu zu denken. Alle warteten darum mit Spannung auf die Antwort des Gemeinderats auf den parlamentarischen Vorstoss ‘Für einen Stadtbauernhof Elfenau’ vom September 2019. Der Gemeinderat hat am 27. April seine Antwort veröffentlicht (siehe auch Abo+ Beitrag im Bund vom 28. April) zu diesem Vorstoss, der wohl demnächst auf die politische Bühne treten dürfte. Die langjährigen Akteure für einen Stadtbauernhof Elfenau sehen sich im Interesse einer weitblickenden und oekologischen Handlungsweise zu einer kritischen Ergänzung veranlasst.

Support des Gemeinderats?

Stimmt es, dass, wie im Artikel erwähnt, der Gemeinderat sich erstmals ‘stark macht für den Erhalt des Bauernhofs auf städtischen Boden’? Jein – kann man dazu nur sagen. Immerhin scheint der Gemeinderat der Idee eines Stadtbauernhofs nicht mehr völlig abgeneigt. Seine Antwort, dass im Rahmen der strategischen Arealentwicklung Elfenau auch die „Zukunft Landwirtschaft” bearbeitet werde und der Gemeinderat „die nötigen Grundlagen für den Weiterbestand eines landwirtschaftlichen Betriebs in der Elfenau schaffen möchte” scheint beruhigend. Beim näheren Hinschauen beschleichen uns aber Zweifel.

…oder doch nicht?

Die beiden ersten Punkte der Motion lauten wie folgt:

1 Sicherstellen des Weiterbestands und Schaffen von Rahmenbedingungen für einen zukunftsträchtigen Betrieb mit Modellcharakter
2 Erarbeiten eines nachhaltigen (oekologisch, oekonomisch, gesellschaftlich) Betriebskonzepts unter Einbezug der Quartierbevölkerung

Diese beiden Punkte nimmt der Gemeinderat scheinbar entgegen, aber mit dem ausdrücklichen Hinweis auf deren Unverbindlichkeit, lediglich ‘als Richtlinie’ für den Gemeinderat, der sich ausdrücklich die Entscheidverantwortung vorbehält. Ja was soll das denn? fragen wir uns. Wenn es dem Gemeinderat wirklich ernst wäre mit seiner Absicht, den Elfenauhof als Stadtbauernhof zu entwickeln, tönte das wohl anders… Antwort auf unsere Konsternation liefert aber vermutlich Punkt 3 der Motion:

3 Der Bauernhof sei deshalb vom Finanz- ins Betriebsvermögen der Stadt zu transferieren.

Diesen dritten Punkt lehnt der Gemeinderat klar ab. Einerseits weil er in der gegenwärtigen Finanzsituation keine neuen Aufgaben übernehmen will und andrerseits – und da liegt wohl der Hofhund begraben – weil die Betriebsfläche nach wie vor als ‘zentral gelegene Landreserve der Stadt‘ bezeichnet wird.

Baulandreserve – Plan B in der Hinterhand!

Stehen wir also tatsächlich wieder am gleichen Punkt wie vor 20 Jahren, als sich zum Erhalt der Manuelmatte – wohl der wichtigsten Betriebsfläche des Hofs – weite Teile der Stadtteilbevölkerung aufmüpfig formierte und aus diesem Protest die IG Elfenau mit mehreren Hundert Mitgliedern entstand?
Die Antwort auf Punkt 3 des Gemeinderats sowie die unverbindliche Distanzierung betreffend die weiteren Anliegen der Motion schüren grosses Misstrauen unter den langjährigen Akteuren. Bei allem Verständnis für die aktuell schwierige Finanzsituation erwartet doch die Bevölkerung heute zu Recht eine gewisse politische Verbindlichkeit auf dem Weg zum Stadtbauernhof Elfenau und im Umgang mit der endlich in den Elfenaupark zu integrierenden Manuelmatte.

Verhindert Angst eine oekologische Zukunft?

Angst vor unsicheren Finanzentwicklungen war schon immer ein schlechter Ratgeber, der zu Kurzsichtigkeit führt. Umso mehr, als die von den Elfenau-Akteuren geforderten, verbindlichen Zusicherungen jetzt noch kaum etwas kosten. Wer aber gerade dieser Tage erlebt hat, wie viele Familien aus der ganzen Stadt zum Elfenauhof gepilgert sind, kann ermessen, wie wichtig ein eindeutiges Commitment der Politik für ein Projekt wäre, das für die ganze Stadt von unschätzbarem Zukunfts-Wert sein wird.
Erste Nägel müssen heute so eingeschlagen werden, dass sie fest im Holz stecken, bis zum Beginn der Realisierung des zukünftigen Stadtbauernhofs. Die Denkarbeit jedoch muss jetzt beginnen: denken kostet bekanntlich nicht viel, Versäumnisse zu reparieren dagegen ist teuer oder gar unmöglich.

Es braucht verbindliche Zusagen

Dass die gesamte Betriebsfläche zum Elfenau-Park geschlagen und so vor Überbauungsphantasien gesichert wird, geschieht am einfachsten mit der Umteilung ins Verwaltungsvermögen der Stadt. Es gäbe natürlich auch Beispiele für andere Möglichkeiten, wie z.B. die Übernahme durch eine spezielle Stiftung.
Verbindlichkeit braucht es zudem, damit im Rahmen der heutigen Planungsaktivitäten für die Erneuerung der Betriebsanlagen von StadtgrünBern explizit ein Masterplan für die langfristige und Nachhaltigkeitskriterien verpflichtete Gesamtentwicklung inklusive Elfenaupark und Stadtbauernhof erstellt werde.
Angesichts der Tatsache, dass ohnehin bis zum Zeitpunkt der Umsetzung in rund zehn Jahren die Zusammensetzung des Gemeinderats und auch der Akteurgruppen eine andere sein wird, kommt der Antwort des Gemeinderats und der folgenden Diskussion im Parlament eine grosse Wichtigkeit zu.

Wenn nicht jetzt Verbindlichkeit – wann dann?