Fragen zum Ende der Basler TagesWoche

von Guy Krneta 8. November 2018

Fast gleichzeitig wie Journal B ist in Basel die TagesWoche entstanden als unabhängiges online-Projekt und Wochenzeitung. Jetzt wird die TagesWoche eingestellt: Was aus einer breiten Diskussion entstanden ist, soll diskussionslos liquidiert werden.

Die Basler TagesWoche stellt ihren Betrieb ein. Die Nachricht am Montagabend kam unerwartet und der Verwaltungsrat gibt sich wortkarg. Die Neue Medien Basel AG, Trägerin der TagesWoche, werde liquidiert, heisst es. Für die rund dreissig Mitarbeitenden gebe es einen grosszügigen Sozialplan.

Bekannt war, dass die finanzierende Stiftung für Medienvielfalt ihre Unterstützung sukzessive reduzieren und ab 2020 bei einer Million Franken pro Jahr einfrieren wollte. Eine Million Franken pro Jahr ist nicht wenig Geld. Es gibt kaum andere Online-Plattformen in der Schweiz, die mit einer solchen wiederkehrenden Unterstützung seitens einer Stiftung rechnen können. Für die TagesWoche, die in ihren besten Zeiten jährlich den vier- oder fünffachen Beitrag verschlang, hätte es nach bereits erfolgtem Abbau in den letzten zwei Jahren die Umstellung auf ein komplett neues Betriebsmodell bedeutet. Dieses zu entwickeln war Auftrag des vor einiger Zeit neu besetzten Verwaltungsrats. Doch statt eines neuen Modells präsentiert dieser nun die Liquidation. Dazu stellen sich einige Fragen.

Wem gehört die TagesWoche?

Die TagesWoche war kein Startup von Medienschaffenden. Sie entstand, als eine Öffentlichkeit, um ihre Tageszeitung beraubt, ein Informationsmanko einklagte, ein breites Bedürfnis formulierte – und damit Gehör fand bei einer gleichermassen besorgten Mäzenin. Die TagesWoche war ein medienpolitisches Projekt. Kann ein medienpolitisches Projekt, das aus einer öffentlichen Diskussion entstanden ist, nun ohne jede öffentliche Diskussion liquidiert werden? Wem gehört die TagesWoche? Ihren LeserInnen? Ihren MitarbeiterInnen? Der Basler Bevölkerung? Jenen, die sie seinerzeit herbeisehnten? Oder jenen, die zuletzt den Schlüssel in die Hand gedrückt bekommen haben?

Ja, die Basler Mediensituation ist nicht mehr die gleiche wie 2010, als Christoph Blocher hinterrücks die Basler Zeitung übernommen hat. Heute gehört die frühere Monopolzeitung BaZ dem Tamedia-Konzern. Und die bz Basel, ein Ableger der Aargauer Zeitung, ist zur immerhin halb so grossen Konkurrentin angewachsen – vielmehr: die BaZ ist ihr entgegengeschrumpft. Beide Zeitungen sind Regionalausgaben von deutschschweizweiten Mantelblättern. Die mediale Öffentlichkeit in der Region Basel wird von Zürich und Aarau aus gestaltet.

Das einzige unabhängige Medium, das der politisch, wirtschaftlich und kulturell bedeutsamen Region Basel eine Stimme geben könnte, ist oder wäre oder war die TagesWoche.

Fragen über Fragen

Der Aufbau und die sieben Jahre Betrieb der TagesWoche waren bewegt, frustrierend, beelendend und gelegentlich auch erfreulich. Etliche Mitarbeitende haben das Projekt in Streit und Zorn verlassen, und es ist bis heute schwer nachvollziehbar, wer genau wann welche Fäden zog. Etliche frühere Mitarbeitende scheinen froh darüber zu sein, dass die Sache ein Ende nimmt. Und die aktuellen Abfindungen sind offenbar so generös, dass jede Form von Widerstand unterbleibt. Kein Streik, keine Besetzung, keine Demonstrationen. Nur eine bleibt auf der Strecke: die Öffentlichkeit.

Und sie bleibt es mit vielen unbeantworteten Fragen: Welche Modelle hat der Verwaltungsrat geprüft? Welche Kooperationen hat er verworfen? Mit wem ausserhalb des eigenen Betriebs hat er Gespräche geführt? Welche medienpolitischen Überlegungen hat er angestellt? Welche Finanzierungsmodelle wurden angedacht? Gab es Gespräche mit VertreterInnen der Politik? Gab es Gespräche mit anderen Stiftungen? Hat der Verwaltungsrat darüber nachgedacht, die Neue Medien Basel AG in eine andere Betriebsform überzuführen, zum Beispiel in eine Genossenschaft? Wie bewertet er im Rückblick das Hybridmodell aus Online und Wochenzeitung? Warum genau ist eine Weiterführung mit einer Million Franken Unterstützung pro Jahr nicht möglich?

Oder ganz praktisch: Was geschieht mit der für zehntausende von Franken eingekauften Software? Wird sie vernichtet? Was geschieht mit dem Archiv? Verschwinden sieben Jahren Journalismus nun auf Knopfdruck?

Und schliesslich: Die TagesWoche war, zumindest bis vor dem Start der Republik, eines der grössten unabhängigen Medienportale der Schweiz. Sie war Teil des neuen Verbands Medien mit Zukunft. Ihr Verschwinden bedeutet einen herben Rückschlag für die Schweiz im Umgang mit dem Medienwandel. Kümmert das die Verantwortlichen?

Neue Pläne?

Zu erfahren ist nun, dass frühere Mitarbeitende der TagesWoche ein Printprojekt planen, mit dem sie bei der Stiftung für Medienvielfalt vorstellig geworden seien. 

Ach, so? Wird uns hier etwa eine Liquidation vorgespielt, um widerstandslos Leute entlassen zu können, die beim neuen Projekt nicht mehr gebraucht werden? Und warum gerade Print? Gab es Bedürfnisabklärungen, die aufzeigten, dass die Region Basel dringend ein neues Printprodukt braucht?

Diese Wortkargheit dieses Verwaltungsrats, ja, macht stutzig.