Mut statt Zaudern

von Melanie Mettler 7. November 2016

BERNER WAHLEN 2016 «Bern ist viel progressiver und innovativer, als gemeinhin dargestellt wird. Ich möchte in Zusammenarbeit mit dem nachhaltigen Gewerbe dem gesellschaftlichen Wandel mit Zuversicht begegnen und mit seinem konservativen Flügel in Dialog treten.»

In Bern gibt es ein paar Geschichten, mit denen wir uns willig selbst durch den Dreck ziehen und uns als Zauderer darstellen. In Bern wird an den Polen politisiert. In Bern geht alles ein bisschen langsamer. In Bern sind Gewerbe und Politik mehr Konkurrenten als Partner. Gleichzeitig ist Bern aber ausgeglichen, progressiv und innovativ.

Rot-Grün-Mitte ist inzwischen das falsche Wort für das seit 24 Jahren regierende Parteienbündnis. Die Stimmenverhältnisse und auch die politische Realität besser darstellen würde die Einteilung der Parlamentsparteien in Linke (AL, GPB-DA, JA!, GB, SP), Mitte (GFL, glp, EVP, BDP, CVP) und Rechtsbürgerliche (FDP, SVP). Das Verhältnis in Prozent wäre dann in etwa 50 zu 30 zu 20.

Die Linken und die Mitte sind sich in grossen Bereichen der Lokalpolitik in den Grundzügen einig: Wohnraum schaffen, Fuss- und Veloverkehr stärken, Energiewende umsetzen – aber auch bessere Zusammenarbeit über die Gemeindegrenzen hinweg oder die Aufarbeitung des Sanierungs- und Investitionsstaus.

Das ist die eine Seite. Doch trotz der scheinbar komfortablen Mehrheit haben es die Regierungsparteien während der letzten zwanzig Jahre nicht geschafft, in diesen Bereichen wirklich vorwärtszukommen. Dabei hätte Bern das Potential, darin zur Vorzeigestadt zu werden.

Generationengerechtigkeit kommt zu kurz

Nicht einig sind sich die Linke und die Mitte bei der Frage, wie ein Staatshaushalt nachhaltig geführt werden soll. Übermässige Schulden widersprechen der Generationengerechtigkeit. Für die Grünliberalen ist es deshalb zentral, dass wir den nächsten Generationen die nötige finanzielle Handlungsfreiheit geben. Mit schlanken Strukturen, mässiger Schuldenlast und Eigenkapital.

Grundsätzliche Unterschiede zwischen Mitte-Links und den Rechtsbürgerlichen gibt es in der Frage, ob Bern als sicher wahrgenommen wird oder nicht. Laut Mercer-Studie befindet sich Bern bezüglich Sicherheit weltweit (!) auf Platz 2 – dennoch bedienen sich die rechtsbürgerlichen Parteien dem Thema Sicherheit, als bestünde dort in Bern Aufholbedarf.

Bern politisiert also nicht an den Polen, sondern in einem (momentan noch) relativ ausgewogenen Kräfteverhältnis. Obwohl in Bern rund ein Drittel der Wahlberechtigten einer Mitte-Partei ihre Stimme geben, und somit auch die entsprechenden Vertretungen im Parlament aktiv sind, wird die wichtige konsensschaffende Arbeit der Mitte in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen.

Die Medien funktionieren oft nach dem Textstrukturmuster Pro-Kontra-Experte. Dies verdeckt nicht nur die Arbeit der Mitte-Parteien bei der Ausarbeitung der Geschäfte und Vorlagen, sondern gibt dem Fünftel der rechtsbürgerlichen Vertreterinnen und Vertreter eine unverhältnismässige Öffentlichkeit und stellt auch Projekte, die von 80 Prozent des Rates getragen werden, als umstritten dar. Gerade die Bundesverfassung, die Grundwerte wie Chancengleichheit, Freiheit und Solidarität garantiert, war auf nationaler Ebene ein Erfolg der progressiven Mitte gegen den Widerstand der beiden Pole, und auch heute noch funktioniert eine aktive und starke Mitte als Garant des Ausgleichs und Stabilität.

Bern als progressives und innovatives Zentrum

Bern ist viel progressiver und innovativer, als gemeinhin dargestellt wird. Die hohe Dichte und Qualität lokaler Kunst- und Kulturschaffender wirkt inspirierend und anregend. Die Fachhochschulen, die Universität und angegliederte Zentren setzen nationale und internationale Massstäbe in diversen Bereichen. Bern ist Politzentrum und entwickelt Visionen für die Zukunft. Die Stadt Bern hat mehr als 185’000 Arbeitsplätze und ist Nettozahlerin im kantonalen Finanzausgleich. Die Lebensqualität in Bern ist so hoch, dass auch Familien in der Stadt bleiben und das urbane Leben geniessen. Bern wächst.

Bern wächst aber nachhaltig und zukunftsgerichtet. Zurzeit erleben wir einen Generationenwechsel in Gewerbe und Wirtschaft. Es herrscht ein regelrechter Innovationsboom. Nachhaltigkeit wird endlich nicht nur als ökologische und soziale Notwendigkeit, sondern auch als wirtschaftliche Chance erkannt. Der Unternehmergeist ist gross, und Social Entrepreneurship wird zur Selbstverständlichkeit.

Selbst von Seiten der Gewerbevertretungen wurde die Idee begrüsst, nachhaltiges Geschäften in der Stadt Bern mit entsprechenden Anreizen zu belohnen. Leider wird dieser Wandel in der Politik und der Öffentlichkeit noch zu wenig wahrgenommen. Das Gewerbe und seine Vertretungen haben hier nicht selten eine konservative Haltung. Das möchte ich als Gemeinderätin in Zusammenarbeit mit dem Gewerbe ändern, so dass wir dem gesellschaftlichen Wandel mit Zuversicht begegnen können. 

Es ist denn auch diese neue, zeitgemässe Form des Wirtschaftens, die mir als grünliberale Politikerin für die nächste Legislatur besonders am Herzen liegt. Für die meisten lokalpolitischen Themen der Raumplanung und der ökologischen Anliegen können wir mit den anderen Parteien gemeinsam getragene Lösung erarbeiten. Dem Gewerbe und der Wirtschaft begegnet die Linke aber oft mit Vorurteilen oder gar reflexartiger Opposition. Die rechtsbürgerlichen Parteien haben die Wirtschaftspolitik vor lauter Law & Order fast vergessen. Dabei braucht Bern das Gewerbe und die Wirtschaft, um sich mutig den aktuellen und zukünftigen Rahmenbedingungen stellen zu können.

Die Schweiz als Land des ständigen Wandels ist schon längstens Teil eines Ganzen, ob gewollt oder nicht. Gewerbler und Gewerblerinnen der Zukunft: Wir brauchen euch! Sowohl als Fraktionspräsidentin der Grünliberalen im Parlament als auch als Kandidatin für die Regierung freue ich mich deshalb darauf, in den nächsten vier Jahren verstärkt für nachhaltige Geschäftsmodelle aktiv zu sein.