Viererfeld: Gegner schiessen Eigentore

von Johannes Wartenweiler 28. Mai 2016

Mit erfundenen Tatsachenbehauptungen, falschen Annahmen und ideologischen Vorwürfen versuchen die GegnerInnen Stimmung gegen das neue Stadtquartier zu machen, Das wird nicht verfangen.

Fundigrüne GegnerInnen der Vorlage Viererfeld rollen mit dem Traktor – einem schön Grossen mit einem fetten Sound – durchs Quartier, hängen viele Plakate, verteilen Flyer in alle Haushalte, buchen Inserate. Dazu die «Kuh Bella», die brav mittrottet, weil Kühe ja oft nicht wissen, für welche komischen Anliegen sie herhalten müssen.

Bei den bürgerlichen Gegner sieht es bescheidener aus. Oberlehrer Eicher lässt  in rot/grünen Plakaten die Kampfparole «Gegen die Erziehungsvorlage»  verbreiten und regt seine Familie zum Leserbriefschreiben an.

Behauptungen lösen sich in Luft auf

Zehn  Tage vor der Abstimmung sieht es aber nicht so aus, als ob ihre Kampagnen Erfolg haben werden. Die Fakten
stehen mehr oder weniger offen im Gegensatz zu ihren Behauptungen:

  • > Die hysterische Geschichte mit der Verdrängung der Familiengärten und dem Fällen der Baumallee hat sich in Luft aufgelöst. Daran war von Anfang an nichts wahr. Das hat die GegnerInnen nicht daran gehindert, diese Geschichte zu verbreiten. Es hat ihre Glaubwürdigkeit massiv beschädigt und sie verstummen lassen. Das nennt man Eigengoal.

  • > Die oft bemühte Alternative der Verdichtung (in Bern, in überbautem Gebiet, andernorts) sticht als Argument gar nicht. In den letzten Jahren hat sehr wohl ein Schub der Verdichtung stattgefunden. Teilweise unspektakuläre Nischen wurden oder werden überbaut bez. verdichtet (Im Norquartier zum Beispiel Sempachstrasse, Lorrainestrasse, Wylerstrasse, Haldenstrasse etc), Dazu kommen grosse Areale wie Hardegg, Stöckacker Süd, Warmbächli, Mutachstrasse, Burgernziel etc, die realisiert, in Bau oder in Planung sind. Weitere wichtige Gebiete etwa beim Autobahnviadukt Weiermannshaus  stehen mittelfristig für die Verdichtung an. Verdichtung lässt sich aber nicht auf Knopfdruck realisieren. Komplexe Besitz- und Nutzungsverhältnisse bedingen lange Planungshorizonte. Entlastung für einen überhitzten Wohnungsmarkt kann deshalb eine Überbauung von zusätzlichem  Bauland bringen. Das Viererfeld ist eine der letzten innerstädtischen Baulandreserven, die für einen solchen Kraftakt zur Verfügung steht.  Wer der inneren Verdichtung als Alternative das Wort redet, welche Neubauten ausschliesst, der behindert den Wohnungsbau insgesamt. Objektiv sorgt er für Wohnungsknappheit und handelt im Interesse der Hauseigentümer und ihrer Profite.

  • > Auch die Behauptung, dass auf dem Viererfeld Luxuswohnraum vorgesehen ist, lässt sich nicht aufrecht erhalten. Im Gegenteil: der 50-prozentige Anteil für den gemeinnützigen Wohnungsbau garantiert eine Durchmischung und wird das Quartier für Menschen mit normalen Einkommen  erschwinglich machen. Dabei geht es nicht um billige Versprechen: Anlagekostenlimiten, reduzierte Baurechtszinse und – zu einem späteren Zeitpunkt – klare Vorgaben für den Wettbewerb und die Investoren  bezüglich Baukosten pro Quadratmeter, müssen sicherstellen, dass eine Vierzimmerwohnung dann auch tatsächlich 1900 Franken kostet.  Luxus ist das nicht. Wer noch tiefere Wohnungsmieten anstrebt, der baut entweder Kaninchenställe oder er betreibt Lohndumping. Das kann es ja nicht sein. Die Kostenmiete garantiert, dass sich die Mieten nicht nach dem Markt entwickeln und langfristig 15 bis 20 Prozent tiefer liegen. Dadurch entsteht langfristig günstiger Wohnraum.

  • > Wenig beeindrucken kann auch das Argument der tieferen Durchschnittsmieten. Das ist Äpfel mit Birnen vergleichen. Die Baukosten für Neubauwohnungen fallen heute an und beeinflussen die Mieten heute.  Im Gesamtbestand finden sich Wohnungen aus allen Epochen und in unterschiedlichem Zustand. Es ist sonnenklar, dass unrenovierte Wohnung aus den 1970er Jahren den durchschnittlichen Mietpreis nach unten drücken.

  • > Und schliesslich noch ein Wort zur «Erziehungsvorlage»: Es gibt gute Gründe den Nutzungsrahmen für ein neues Stadtquartier abzustecken. Wenn die FDP das als Bevormundung zurückweist, dann fehlen ihr elementare Kenntnisse der Stadtplanung. Mit der Reduktion der Parkplätze geht die Vorlage nicht nur auf die Lebensrealität der Menschen ein, sie erschwert  auch, dass der MIV der Stadt sein Regime aufdrückt. Wir kennen die negativen Erfahrungen der automobilen Gesellschaft mit Stadtflucht und Pendlerwesen aus der jüngsten Vergangenheit. Daran wollen wir nicht anknüpfen. Ich bin sicher, dass diese Vorgaben weder Investoren abschreckt noch potentielle Mieter.

Zusätzlicher Wohnraum muss her

In der Stadt Bern muss zusätzlicher Wohnraum entstehen, weil dies ein Beitrag gegen die Wohnungsnot und gegen steigende Mieten ist. Ein eigenes Dach über dem Kopf ist ein elementares Bedürfnis, das der Markt nicht oder ungenügend berücksichtigt. Die Stadt kann nicht einfach zuschauen, wie private Investoren Mietwohnungen und Eigentum für die oberen Mittelschichten erstellen – und die normalen Menschen aus der Stadt drücken.

Mit der Wohninitiative hat die Politik eine starke Legitimation im Bereich des Wohnbaus zu intervenieren und den Markt zu relativieren. Es ist nicht überraschend, dass die FDP dagegen ist. Ihre Wohnbaupolitik ist nicht auf die Erfüllung von Bedürfnissen ausgerichtet, sondern basiert auf den Prämissen des freien Markts, dem mit ererbtem Kapital, guten Beziehungen und anderem Schabernack nachgeholfen wird, damit er den Profit in die richtigen Taschen fliessen lässt.

Fundigrüne WachstumskritikerInnen und Notinmybackyard-Juppies können im Abstimmungskampf tatsächlich mit einem Traktor durchs Quartier fahren. Das habe ich selbst gesehen. Aber dass sie eine sinnvolle Stadtentwicklung und damit verbundene wirtschaftliche Impulse behindern und verzögern können, kann ich mir nicht vorstellen.