Vom Asylsuchenden zum Migrationsfachmann

von Lukas Blatter 21. März 2014

Am 21. März ist der Internationale Tag gegen Rassismus. Die Stadt Bern nimmt dies zum Anlass, zum vierten Mal eine Aktionswoche gegen Rassismus durchzuführen. Mit dabei ist auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe. Journal B hat Gasim Nasirov, Verantwortlicher Bildungsprojekte, getroffen.

In seinen lässigen Kleidern geht er beinahe in der Menge der Passanten in Berns Innenstadt unter. Doch Gasim Nasirov hat eine prägende Vergangenheit hinter sich, die ihn bis heute zumindest beruflich begleitet.

Nasirov arbeitet bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und ist dort zuständig für Bildungsprojekte. Auch dieses Jahr organisiert er für die Aktionswoche gegen Rassismus der Stadt Bern einen Stand. Mit verschiedenfarbigen Ballons will er die Diskussion über die Diskriminierung von Migratinnen und Migranten am Arbeitsplatz anregen.

Sein Engagement kommt nicht von ungefähr. Am eigenen Leib musste Nasirov erfahren, wie es sich anfühlt, aus einem Land zu flüchten und sich in einem anderen zurecht zu finden.

«Menschen sind verschieden, das muss auch so sein. Von der Verschiedenheit können jedoch alle profitieren.»

Gasim Nasirov

Gasim Nasirov war einst Sohn einer reichen und bekannten Familie in Aserbaidschan. Aufgrund seines politischen Engagements wurde er in seinem Land verfolgt. Der einzige Ausweg, der ihm blieb, war die Flucht ins Ausland.

Als Asylsuchender durchlebte er in der Schweiz anfänglich eine «schwierige Zeit». Dass Nasirov aus wohlhabenden Verhältnissen stammt, interessierte hier niemanden. Alle würden in denselben Topf geworfen, doch eigentlich bräuchten alle einen individuellen Prozess, findet Nasirov. «Menschen sind verschieden, das muss auch so sein. Von der Verschiedenheit können jedoch alle profitieren.»

Sprache lernen sei wichtig gewesen

Das Asylgesuch brauchte etwas mehr als fünf Jahre Bearbeitungszeit. Schnell eignete sich Gasim Nasirov die Sprache an. «Du bist einer von Tausenden und musst von null anfangen», erinnert sich Nasirov.

Die Sprache zu erlernen sei am wichtigsten gewesen, da sie die Kommunikation ermöglichte. Dies sei enorm hilfreich, um in einem neuen Land Fuss zu fassen und sich mit anderen austauschen zu können.

Nasirov weiss jedoch, dass nicht alle Asylsuchende so viel Motivation dafür aufbringen können: «Ich bin ein begeisterungsfähiger Mensch. Viele Asylsuchende sind jedoch traumatisiert oder haben keine Schulbildung und können sich in der Schweiz nur schwer zurechtfinden.»

Firma für Asyl- und Integrationsförderung

Noch während seines Asylverfahrens gründete der ehemalige Flüchtling eine Firma, die Dienstleistungen zur Asyl- und Integrationsförderung anbietet. Mittlerweile werden seine Projekte bereits von diversen Kantonen mitgetragen.

«Warum muss man Angst vor fremden Menschen haben? Zuerst sollte man sie doch kennenlernen.»

Gasim Nasirov

«Asylsuchende haben wenig Geld, dürfen nicht arbeiten gehen und werden isoliert von der Gesellschaft.» Dies sei sehr hinderlich, da sie somit die Sprache nur spärlich lernen und sich kein Bild von der Schweiz und ihren Bewohnern und Bewohnerinnen machen könnten.

Nach langen Jahren der Ungewissheit erhielt er einen positiven Bescheid auf sein Asylgesuch. Auch danach arbeitete Gasim Nasirov an seinen Projekten weiter. «Ich kenne die Situation als Flüchtling, da ich diese einst selber durchlebte.» Er könne sich nicht bloss um sich sorgen, sondern müsse auch anderen in derselben Situation weiterhelfen.

«Man wird nicht mit offenen Armen begrüsst»

Nach einer Anstellung beim Schweizerischen Arbeiterhilfswerk, seiner Ausbildung zum Migrationsfachmann und einer kurzen Zeit als freier Mitarbeiter, landete er vor etwas mehr als einen Jahr bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Hier hat er nun die Gelegenheit, «Hobby und Beruf» mit grosser Begeisterung zu kombinieren.

Der lebensfrohe Mann kennt wohl wie kein anderer die Situation von Asylsuchenden. Heute sei er froh, hier leben zu dürfen. Ihm sei jedoch bewusst geworden, wie schwer die Situation für Migrantinnen und Migranten in der Schweiz ist.

Und so will er anderen dabei helfen, sich hier zurecht zu finden. «In der Schweiz begrüsst man dich nicht mit offenen Armen», weiss der 45-Jährige. «Doch warum muss man Angst vor fremden Menschen haben? Zuerst sollte man sie doch kennenlernen.»