Frauen in der Berner Kultur

von Christoph Reichenau 11. Februar 2020

Frauen sind in den künstlerischen und bestbezahlten Spitzenpositionen der Berner Kultur nach wie vor untervertreten. In anderen Bereichen, gestalten sie die Kultur jedoch massgeblich. Das ist ein Anfang.

Eine Frauenquote für visuelle Kunst wird (in den TA-Medien) gefordert, da die Kunst von Frauen in Museen, Galerien, Off-Spaces noch immer klar untervertreten sei. Untervertreten seien auch Frauen in den Leitungspositionen, ausgestattet mit der Macht, die Verhältnisse zu verbessern. Schauen wir uns in Bern um.

Das Kunstmuseum zeigt Teruko Yokoi, kuratiert von Marta Dziewanska, die auch «Alles zerfällt» verantwortet. Die Ausstellung («Freundeswerke») ist ebenfalls das Werk von Frauen (Marie-Thérèse Bätschmann und Marianne Wackernagel). Ähnlich das Bild im Zentrum Paul Klee: Mit Lee Krasner wird endlich einer ausserordentlichen Malerin Tribut gezollt (Kuratorinnen Eleanor Nairne vom Barbican Centre London und Fabienne Eggelhöfer). Die Leitung beider Häuser liegt bei Nina Zimmer. Jene der Kunsthalle hat Valérie Knoll inne. Von den Galerien in der Stadt werden zahlreiche von Frauen betrieben (etwa von Christine Brügger, Barbara Marbot, Beatrice Brunner). Das weitgespannte Kulturengagement der Mobiliar-Versicherung ist in den Händen von Dorothea Strauss, die Kunstsammlung der POST kuratiert Diana Pavlicek. Den «aff-space» (Offspace für Architektur) betreiben Paula Sansano und Meret Arnold.

Jacqueline Strauss ist Direktorin des Museums für Kommunikation. Im Stiftungsrat von Konzert Theater Bern bilden vier Frauen (Nadine Borter, Marianne Keller Tschirren, Sibylle Matter, Ursula Nold) die Mehrheit und bekleiden das Präsidium (Nadine Borter). Unter Intendant Florian Scholz leitet Estefania Miranda die Tanzkompagnie. Anneli Binder ist prima inter pares in der künstlerischen Leitung der Dampfzentrale, Maike Lex leitet das Schlachthaus Theater; in beiden Häusern präsidieren Frauen die Trägervereine: Ursula Dubois im Schlachthaus, Melanie Mettler (Co-) in der DZ. Das Team des Theaterfestivals «auawirleben», eben aufgefallen mit seinem Manifest für Transparenz und Diversity, besteht ausschliesslich aus Frauen (Nicolette Kretz, Isabelle Jakob, Bettina Tanner und Silja Gruner).

In der Camerata Bern hat Patricia Kopachinskaya die künstlerische Leitung inne, beim Orchester für Alte Musik «Les passions de l’âme» ist es Meret Lüthi und im Barockensemble «Die Freitagakademie» Katharina Suske.

Das Haus der Religionen-Dialog der Kulturen leitet neu Karin Mykytjuk, das Atelierhaus und Kulturzentrum PROGR Silvia Hofer. Den Kulturförderstellen im Kanton und im Raum Bern stehen drei Frauen vor: Sibylle Birrer (Kanton). Franziska Burkhardt (Stadt) sowie Patrizia Crivelli (Burgergemeinde Bern) und auch jene der grössten Regionsgemeinde, Köniz, leitet eine Frau (Marianne Keller Tschirren). Bettina Keller präsidiert die deutschsprachige Kulturkommission des Kantons Bern. Von den städtischen Kommissionen präsidieren Karin Minger jene für Theater und Tanz und Carola Ertle Ketterer die für visuelle Kunst.

Chefredaktorin der Berner Kulturagenda, die wöchentlich rund 180‘000 Haushalte erreicht, ist Sarah Sartorius. Im «Bund» berichten mit Xymnia Engel, Lena Rittmeyer, Regula Fuchs, Marianne Mühlemann regelmässig Frauen über Kultur und Kunst, dito in der Berner Zeitung (Martina Bolzli, Helen Lagger).

Ist dies nun viel oder wenig? Es ist ein Anfang. In künstlerischen und bestbezahlten Spitzenpositionen – etwa in der Intendanz KTB oder im Chefdirigat des Symphonieorchesters – fehlen Frauen. Das ist kein Zufall. In steilen Hierarchien mit grossem Machtgefälle sieht «man» zuoberst immer noch eher Männer als Frauen. Doch unsere unvollständige, nicht repräsentative Momentaufnahme zeigt: Nicht wenige Frauen gestalten in Bern mit, was wir Kultur nennen. Sie schaffen Kunst, fördern sie, führen sie auf, vermitteln und besprechen sie. Viele Häuser, Orte, Medien, Mächte sind in der Hand von Frauen. Natürlich bedeutet dies nicht automatisch, dass im künstlerischen Programm und in den Aktivitäten entsprechend viele Frauen zum Zug kommen. Aber die Chancen eines offenen Blicks auf das Schaffen von Frauen, das Bewusstsein für die Qualität ihrer Werke sind gegeben. Die Chancen zu vergrössern liegt nicht nur an «denen, da oben». Es liegt auch an uns, am Publikum: Wir haben mit unserem Interesse und mit dem Bezahlen des Eintritts einen eigenen Hebel in der Hand. Unterschätzen wir ihn nicht.