Kunst-Stafette #49: Hanswalter Graf

von Magdalena Schindler 15. Dezember 2015

Seit 20 Jahren realisiert der Künstler Hanswalter Graf aus Thun Projekte im öffentlichen Raum, deren Erfolg auf der Partizipation der betroffenen Nutzer basiert. Das Langzeitprojekts ToMA ist Beispiel seiner Arbeitsweise an der Schnittstelle von Kunst und Bau.

Was hat dich zu dieser Arbeit veranlasst?

Hanswalter Graf:

Der Aussenspielplatz mit dem integrierten Sommerpavillon ist ein Teil des Langzeitprojekts ToMA. Während 5 Jahren habe ich in enger Zusammenarbeit mit der Kulturkommission und interessierten Teilen der Bevölkerung von Amriswil (Vereine, Firmen, Schulen, Künstlern, Privatpersonen) verschiedenste Projekte im öffentlichen Raum realisiert: Die Anfrage zu diesem konkreten Teilprojekt kam aus der Schulgemeinde.

Kannst du das Projekt ToMA näher charakterisieren?

Amriswil ist ein regionales Dienstleistungs- und Kulturzentrum im Thurgau und hat mit dem neuen Mehrzwecksaal zwar ein kulturelles Herzstück für eine breite Palette von Veranstaltungen, jedoch keine vergleichbare Institution für die bildende Kunst. Die Kulturkommission beauftragte mich Ende 2010 mit der Ausarbeitung eines Langzeitprojekts für den öffentlichen Raum, an dem sich alle interessierten Bürger, Vereine und Gruppierungen aus Amriswil aktiv beteiligen können. So entstand das Projekt ToMA, das Taxi of Modern Art, mit einem umgebauten Chrysler New Yorker als fahrbarem Kulturzentrum, dessen Projektleiter ich für die nächsten Jahre wurde. Der Umbau des Autos war gleichzeitig das erste ToMA-Projekt: Sechstklässler haben in einem mehrtägigen Entwurfsatelier den Umbau skizziert und vorbereitet, das lokale Gewerbe hat das Design anschliessend umgesetzt. Seither war ToMA bei verschiedensten Kunstprojekten in Amriswil federführend oder mitbeteiligt. Im kommenden Jahr zieht das ToMA weiter. Anlässlich der Kulturnacht wird es in Amriswils Partnerstadt Radolfzell andocken.

Was ist das Besondere an diesem Kindergartenprojekt? 

Der Spielplatz ist direkt mit dem Innenraum des Kindergartens verbunden respektive über die Balkontür zugänglich. Beim Gebäude handelt es sich um ein Bürohaus. Das erklärt auch die etwas eigenartige Ausgangslage, einen Aussenspielplatz auf der vorgelagerten Terrasse zu planen. Das Spezielle oder Künstlerische daran liegt meiner Meinung nach an der Vorgehensweise, weil die Kindergartenkinder von Grund auf ihren Spielplatz nach ihren Wünschen und Bedürfnissen gezeichnet und zur Ausführung an die Grossen weitergegeben haben. Diese ToMA-Teilprojekt heisst übrigens nicht «Taxi of Modern Art» sondern «Turnen ohne Mit Anstrengung».

Wie definierst du deine Rolle als Künstler?

Je nach Projektphase bin ich in immer wieder anderen Funktionen tätig, als Planer, Kommunikator oder Künstler. Meinen privaten Kunstbegriff habe ich inzwischen recht ausgedehnt und gestreckt. Bereits vor 20 Jahren habe ich mich zudem auch aus dem Ausstellungsbetrieb ausgeklinkt. 

Was hat es mit dem ToMA-Taxi auf dem Bild auf sich?

Auf der ersten Aufnahme steht das ToMA einfach auf dem Parkplatz vor dem Kindergarten, weil der Kulturbeauftragte der Stadt Amriswil mit ihm zur Einweihung des Spielplatzes gefahren ist. Sonst aber war der umgebaute Chrysler das mobile Logo, das sich – wie auf dem zweiten Bild zu sehen – mit seinen gelben Kragarmen überall dort im Amriswiler Strassenraum andocken konnte, wo gerade ToMA-Kunstprojekte am Entstehen waren.

Hat sich in Amriswil durch das ToMA-Projekt etwas verändert?

Das Fazit nach 5 ToMA-Jahren: Durch die Vielzahl von Begegnungen, Gesprächen und Veranstaltungen, die das Projekt flankierend begleitet haben, ist meiner Meinung nach die Bereitschaft, sich auf aktuelle Kunstprojekte einzulassen – überhaupt zuerst einmal hinzuhören und hinzusehen – in Amriswil merkbar gestiegen. Einverstanden waren natürlich nie alle mit unseren Ideen und Vorgehensweisen, Vieles wurde sehr kontrovers diskutiert, aber dadurch, dass ein paar hundert Amriswilerinnen und Amriswiler am Projekt in irgendeiner Form beteiligt waren, hatte das ToMA in relativ kurzer Zeit einen Einfluss auf das kulturelle Klima der Stadt. Weil alle Teilprojekte in der Öffentlichkeit stattgefunden haben, konnte sich auch der kulturell nicht interessierte Teil der Bevölkerung dem Kunstprojekt kaum entziehen.

Welchen Raum brauchst du für deine Kunst?

Seit Mitte der 1990er Jahre arbeite ich ausschliesslich im öffentlichen Raum. Das ist deshalb also auch im wörtlichen Sinn der Raum, den ich für meine Kunst brauche. 

Sind gesellschaftliche Fragen Thema deiner Kunst?

Da ich immer Projekte mit den Benutzern oder Bewohnern eines Hauses oder einer Gemeinde realisiere, sind gesellschaftliche Fragen und Themen bereits von allem Anfang an fester Bestandteil meiner Arbeiten. Die Grundidee entwickelt meistens eine kleinere Gruppe, die dann während den folgenden Arbeitsschritten immer neue Partner ins Boot holt, deren Knowhow und Erfahrung das Projekt mittragen und mitgestalten. 

Suchst du die Öffentlichkeit?

Ja, für meine Arbeitsweis ist die Öffentlichkeit aus oben erwähnten Gründen eine unabdingbare Voraussetzung.

Wo siehst du Potenzial zur Nutzung des öffentlichen Raums?

Wenn bei einem Projekt von allem Anfang an – und in jeder Arbeitsphase – die momentanen oder zukünftigen Benutzer involviert sind, wird ein echtes, nicht aufgesetztes Terrain für eine gemeinsame Nutzung geschaffen. Hier liegen meiner Meinung nach das Potenzial und die gesellschaftliche Relevanz von Kunst im öffentlichen Raum, die weit über den reinen Kunstkontext hinausreicht. 

Welches ist dein persönlicher Hotspot in Bern?

Seit Jahrzehnten die Kunsthalle.