Ein Theater im Krematorium

von Urs Frieden 17. August 2015

Am 4. September startet im Aufbahrungstrakt des Krematoriums auf dem Bremgartenfriedhof ein aussergewöhnliches Projekt. Interview mit Sandra Forrer, der künstlerischen Leiterin von «All My Lives – zu den Aufbahrungen».

Sandra, dein Team hat mit dem Aufbahrungstrakt des Krematoriums im Bremgartenfriedhof einen aussergewöhnlichen Spielort gewählt. Wie seid ihr darauf gekommen?

Sandra Forrer:

Die Aufbahrungsanlage des Krematoriums Bern ist räumlich und inhaltlich interessant. Die einzelnen Aufbahrungsräume erinnern mit ihren zwei durch eine Scheibe getrennten Bereiche an Schaufenster oder kleine Bühnen – für eine installative Theaterarbeit also sehr reizvoll. Inhaltlich habe ich mich schon eine Weile mit dem Thema «Leben und Lebenskonzepte» beschäftigt: Wie setzt sich ein Leben zusammen, was sind seine Bausteine? Mit welchen Inhalten füllt man sie auf? Ich fand das plötzlich sehr passend, dieses Thema in einer Aufbahrungsanlage zu bearbeiten, wo man sich ebenfalls auf eine sehr intime Weise mit dem Leben und dessen Wahrnehmung beschäftigt. Durch den Tod, also die Vergänglichkeit von Leben, wird das Leben augenfällig.

Was ist installative Theaterarbeit? Und was genau erwartet das Publikum in diesem Raum?

In «All My Lives – zu den Aufbahrungen» besteht die Installation aus präsentiertem und gestaltetem Raum, Interviews und Tonaufnahmen. In die gefundene Örtlichkeit, die Aufbahrungsanlage des Krematoriums, installieren wir unser produziertes Material zum Thema Leben und Lebenskonzepte. Die Besucherinnen und Besucher erwartet ein Theatererlebnis, in dem der Raum und die gestalteten Inhalte zusammen mit der eigenen Sinneswahrnehmung zu den Akteuren werden.

Und wie geht das konkret?

Konkret erwartet die Zuschauerinnen und Zuschauer ein Rundgang durch die Aufbahrungsanlage. Auf ihrem Weg durch die einzelnen Räume begegnen sie unterschiedlichen Lebensthemen, Lebenskonzepten und Lebenssituationen. Einiges wird neu sein, aber manches wird ihnen auch vertraut erscheinen. Ganz so, wie es uns im Alltag auch geht, wenn wir jemanden kennen lernen – wir stellen Unterschiede und Gemeinsamkeiten fest und positionieren uns damit selbst.

Gibt es einen Zusammenhang mit dem Vampirstück von Mes Arts Theater, das seit Juni im Bremgartenfriedhof läuft?

Nein. Als wir davon erfuhren, waren wir bereits mitten in der Arbeit und haben uns gefreut, zu hören, dass mit dem 150-Jahr-Jubiläum des Bremgartenfriedhofs und dem Mes Arts Theater noch mehr Bewegung in diese Ecke von Bern kommt.

Wie hat die Geschäftsführung des Krematoriums auf Deine Pläne reagiert?

Zu meinem grossen Glück hatte die Geschäftsführerin des Krematoriums Bern, Silvana Pletscher, ein offenes Ohr für meine Ideen und so standen sie und ihr Team bald hinter uns. Natürlich ist so eine Zusammenarbeit nur mit viel Vertrauensbildung möglich. Schliesslich sind wir Gäste und wollen das Tagesgeschäft vor Ort nicht stören. Dass wir überhaupt dort arbeiten dürfen, ist ein grosser Glücksfall. Dass wir zudem von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern derart unterstützt werden, damit hatte ich nicht gerechnet. Es macht Spass, so zu arbeiten.

Wie wichtig ist dir die Auseinandersetzung mit dem Thema Tod? Ist er nur oberflächlicher Aufhänger oder planst du gar einen Zyklus?

Der Tod, der in «All My Lives» als räumliche Klammer vorhanden ist, gehört zum Leben und damit zu allem, worüber man sich künstlerisch ausdrücken kann. Tatsächlich haben wir schon Stücke gemacht, in denen der Tod ebenfalls vorkam. Das war nie unser ausgesuchtes Ziel, sondern hat sich jeweils so ergeben. Für künftige Projekte haben wir zurzeit noch keine konkreten Pläne.