Wie steht es um die Grosse Halle?

von Luca Hubschmied 9. November 2018

2018 war ein ereignisreiches Jahr für die Grosse Halle der Reitschule. Viele Fragen tun sich auf: Was beschäftigt die Trägerschaft? Was ist von der Besetzung im Frühjahr noch geblieben? Haben die BesetzerInnen ihre Ziele erreicht? Gibt es noch eine Zusammenarbeit?

Nach bewegten Monaten steht die Grosse Halle der Reitschule nun kurz vor dem Umbau. Im Juni nahmen die Stimmberechtigten der Stadt Bern den entsprechenden Baukredit in der Höhe von 3 Millionen mit einer klaren Zweidrittelmehrheit an. In den Monaten Dezember 2018 bis Ende April 2019 schliesst die Grosse Halle ihre Tore für die Umbauarbeiten, in deren Zuge unter anderem die Isolation verbessert werden und zusätzliche KünstlerInnengarderoben sowie eine rollstuhlgängige Toilette entstehen sollen.

Beginn der Zusammenarbeit

Ruhig geworden ist es um das Kollektiv «Halle für alle» (anfangs noch «Die Wohlstandsverwahrlosten»), welches Ende März 2018 die Grosse Halle besetzt hatte (Journal B berichtete). Die Besetzung geschah fast zeitgleich mit der Übernahme der Leitung der Grossen Halle durch die verschwägerten Luzius Engel und Nina Engel. Im Februar gab der Vorstand des Trägervereins bekannt, dass die beiden die Leitung von Giorgio Andreoli auf Ende Mai übernehmen sollten. Nach langen Verhandlungen wurde Ende Mai die Besetzung beendet und bekanntgegeben, dass das Kollektiv aktiv an der Programmation in der Grossen Halle beteiligt sein sollte. «Im Mai hiess es zwar in den Medien, dass die Besetzung zu Ende sei, intern änderte sich aber nur wenig. Eigentlich ging nichts zu Ende, sondern die Zusammenarbeit mit der Trägerschaft begann. Deshalb beschloss man, nicht mehr von einer Besetzung zu sprechen.», erklärt Rafael*, der von Anfang bis Ende Teil des besetzenden Kollektivs war.

«Für viele waren die ersten Tage der Besetzung etwas sehr Aufregendes. Als nach den ersten vier Tagen die Euphorie etwas zurückging verliess uns schon die erste Welle.»

In dieser Phase fanden viele Diskussionen statt. Die BesetzerInnen trafen sich oft mit dem Trägerverein um die Rahmenbedingungen der gemeinsamen Bespielung des riesigen Raumes festzulegen. Dem Kollektiv wurde die Halle in unregelmässigen Abständen überlassen, mal zwei Abende die Woche, mal eine ganze Woche am Stück, dann wieder eine Woche gar nicht. In der übrigen Zeit führte der Trägerverein das Programm durch, das schon vor der Besetzung bestanden hatte und noch von Giorgio Andreoli gemacht worden war.

Die Euphorie schwindet

Dieses Zugeständnis sei im Nachhinein ein Fehler gewesen, findet Rafael. «Dadurch, dass wir die Halle immer wieder leerräumen mussten, weil der Trägerverein auch sein Programm hatte, war es schwierig, etwas Langfristiges entstehen zu lassen.» Ausserdem war wieder ein Machtgefälle vorhanden, weil der Trägerverein grösstenteils für die Programmation der Grossen Halle zuständig und die Besetzung offiziell beendet war. Das gefiel einigen BesetzerInnen nicht, worauf diese das Kollektiv verliessen. Ein grosses Problem, denn das Kollektiv hatte ohnehin schon mit einem Mangel an engagierten Personen zu kämpfen. Seraina*, ebenfalls eine Besetzerin der ersten Stunde, sieht dafür aber auch interne Probleme verantwortlich: «Für viele waren die ersten Tage der Besetzung etwas sehr Aufregendes. Als nach den ersten vier Tagen die Euphorie etwas zurückging – Ostern war vorbei und die Verpflichtungen aus dem geregelten Leben riefen – verliess uns schon die erste Welle.» Ausserdem stiessen von aussen weniger Personen zum Kollektiv hinzu, als man es sich gewünscht hatte. Die BesetzerInnen sind dabei durchaus selbstkritisch. Vielleicht habe man die anfangs angedachte Offenheit auch schlecht kommuniziert oder Menschen von aussen nicht herzlich genug empfangen.

«Wir wollten, dass eine Diskussion um die Grosse Halle entsteht und das ist auch passiert.»

Anfang Juli fand dann eine mehrtägige Abschlussveranstaltung des Kollektivs «Halle für alle» statt, anschliessend zog sich das Kollektiv zurück. «Das hatte wohl eher mit internen Vorgängen zu tun als mit uns», erklärt Luzius Engel, «ausserdem verstanden wir es so, dass das Kollektiv gewisse Ziele bereits erreicht hatte.» Dieser Aussage stimmen auch Seraina und Rafael zu: «Wir wollten, dass eine Diskussion um die Grosse Halle entsteht und das ist auch passiert. Man sprach darüber, dass die Grosse Halle eigentlich Teil der Reitschule aber viel exklusiver ist oder dass es für viele Menschen in Bern zu wenig Freiräume gibt.» Die beiden sind überzeugt, dass auch die Trägerschaft davon etwas mitgenommen hat, geben aber gleichzeitig zu bedenken, dass es nicht gelungen sei, etwas Bleibendes zu erschaffen. Es seien also nicht alle Ziele erreicht worden.

Etwas bleibt

Ganz vorbei sei die Zusammenarbeit aber nicht, erklärt Nina Engel: «Wir hatten über das Kollektiv ‹Halle für alle› viele neue Kontakte knüpfen können, daraus entstehen auch jetzt immer noch neue Ideen für die grosse Halle, auch wenn diese nicht unter dem Namen des Kollektivs stattfinden.» Sicher sei es aber so, dass durch den Rückzug des Kollektivs mehr Platz für eigene Programmideen blieben, an Ideen dafür mangele es nicht, meint Nina Engel.

«Wir hatten über das Kollektiv ‹Halle für alle› viele neue Kontakte knüpfen können, daraus entstehen auch jetzt immer noch neue Ideen für die grosse Halle»

Für die beiden Leitenden der Grossen Halle steht nach dem bewegten Start nun eine etwas ruhigere Zeit bevor. «Wir können uns nun Zeit nehmen für organisatorische Dinge, die während der ersten turbulenten Monate liegengeblieben sind», sagt Nina Engel, «ausserdem müssen wir den Umbau mitbetreuen.» Im Rückblick hätten die vielen Begegnungen im Gespräch aber einen Lernprozess angestossen, erklärt Luzius Engel, der immer noch weitergehe: «Mit jeder Veranstaltung wird die Grosse Halle wieder auf andere Art belebt. Hier kann ein Theaterraum sein, eine Rollschuhdisco oder ein Boxring. Wir haben noch lange nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.»