Die Flickerei: Reparieren statt wegwerfen – SIBA XX

von Luca Hubschmied 28. Juni 2018

Im 20. Beitrag der Serie Soziale Innovation steht die «Flickerei» im Fokus. In einem Untergeschoss in der Innenstadt wird diese von Michel Savary betrieben. Dort wird repariert, was anderswo viel zu schnell weggeworfen wird.


Metallregale ziehen an den Wänden hoch bis zur Decke, darauf stehen Wasserkocher, Kaffeemaschinen, Kisten mit elektrischem Krimskrams. Auf den Tischen in der Mitte des langen Raums liegen kleinere Werkzeuge, daneben Lötkolben und Bohrer. In dem Keller an der Laupenstrasse 5a sieht es genau so aus, wie man sich eine «Flickerei» vorstellt. An einem beleuchteten Pult sitzt Michel Savary, der hier vor etwas mehr als einem Jahr den Verein «Flickerei» gegründet hat. 



Es begann mit dem Kinderwagen

«Ich war schon immer handwerklich veranlagt», erklärt er, «und habe gerne verschiedenste Dinge geflickt.» Eines Tages versagte der Kinderwagen seiner Nachbarin den Dienst, die Ursache war schnell gefunden: ein gerissenes Bremskabel. Dass nicht einfach dieses Bremskabel, sondern gleich der ganze Kinderwagen ersetzt werden sollte, brachte Michel Savary auf die Idee, eine Werkstatt zu eröffnen, in der Alltagsgegenstände aller Art geflickt werden können. Er richtete sich in dem Kellerraum ein, bastelte eine einfache Website und wurde gleich vom ersten Tag an mit Aufträgen eingedeckt. «Zuerst habe ich alleine begonnen, dann aber gegen Ende 2017 einen Verein gegründet. Nun habe ich ein paar Helfer, die unregelmässig hier mitarbeiten.» Geflickt wird in der Flickerei grundsätzlich alles, auch wenn einige Geräte ungleich schwieriger in Stand zu setzen sind als andere, wie Michel Savary sagt: «Kaffeemaschinen sind oft schwierig zu reparieren, wenn es an der Elektronik liegt. Ebenso verhält es sich mit modernen Nähmaschinen. In solchen Fällen müssen wir die KundInnen manchmal weiter verweisen.»

Kein regulärer Stundenlohn

Die Flickerei scheint ein vorhandenes Bedürfnis nach ressourcenschonendem Umgang zu befriedigen, davon zeugen all die rosaroten Zettel mit hängigen Aufträgen an den Wänden. Wie Michel Savary erzählt, sei es daher auch kaum nötig, mehr Werbung für die Dienstleistung zu machen: «Ich betreibe eine Internetseite und habe vor einer Weile in einigen Quartieren Flyer in Briefkästen verteilt. Im Moment bin ich gut ausgelastet, freue mich aber über jeden neuen Auftrag.»
Von der Arbeit in der Flickerei könne er aber nicht leben, deshalb arbeitet der gelernte Schreiner nebenbei vierzig Prozent im Verkauf. Der Grund dafür sei ein einfacher, erklärt Michel Savary: «Preislich muss ich hier einen Kompromiss machen. Das Ziel ist, dass nichts weggeworfen wird. Wenn ich aber einen regulären Stundenlohn verlange, lohnt sich für die KundInnen das Flicken nicht mehr.» Das dahinterliegende Problem ist die preisliche Überbewertung der hiesigen Arbeit gegenüber den Produkten, die oft aus China günstig bezogen werden können. «Wir haben vergessen, was die Dinge für einen Wert haben.» Gerne würde er einmal alleine von der Arbeit in der Flickerei leben können. Dazu muss nun aber als nächstes Projekt erst einmal die finanzielle Lage genauer betrachtet werden.Unterstützung dafür bekommt er von SIBA-Vorstandsmitglied Urs Guggenbühl von der Berner Innovationsförderagentur be-advanced. Dieser sagt: «Soziale Innovation ist dann nachhaltig, wenn sie auch finanziell auf soliden Füssen steht – ansonsten können sich innovative Leute wie Michel Savary ihr Engagement bald nicht mehr leisten.»

In Zukunft will Michel Savary sein Angebot etwas anpassen und sich vermehrt darum kümmern, Stühle zu flicken, und hingegen das Reparieren von komplexen Geräten abzulehnen. «Ich muss mir ernsthaft überlegen, mein Angebot auf das auszurichten, was ich gut kann und wo ich erfolgreich sein kann.» Bereits heute arbeitet er mit anderen Geschäften zusammen, wenn er gewisse Dinge nicht selbst flicken kann. So schickt er KundInnen mit kaputten Schuhen etwa zu Dani’s Express in der Schwanengasse, diese nehmen im Gegenzug Messer zum Schleifen an und geben sie ihm weiter.