Von ganz klein zu klein – QZxJB V

von Yannic Schmezer 13. Januar 2018

Zahai Bürgi schrieb schon immer leidenschaftlich gerne – erst nur für sich und ihre Bekannten, jetzt immerhin für die ganze Altstadt. Quartierzeitungen wie die Brunnezytig sind für sie die Zukunft des Lokaljournalismus.

Zahai Bürgi hat zwei ganz persönliche Ressorts bei der Brunnezytig, der Quartierzeitung der Altstadt, für sich reklamiert: «Die Fasnacht und die Beflaggung der Altstadt, das sind meine Themen», sagt Bürgi lachend. Die Fasnacht, klar, das habe sie als Innerschweizerin in den Genen und seit sie einmal zufällig an einer Flaggensitzung teilnehmen konnte, beschäftige sie sich auch damit, wann und wie welche Flaggen in der Altstadt aufgehängt würden. «Das kommt darauf an, was gerade ansteht. Die Beflaggung variiert je nach Event».

Der erste Blog

Geboren ist Zahai Bürgi in Einsiedeln. 1967 kommt sie ehehalber nach Bern, wo sie ein Archäologiestudium beginnt. Bald arbeitet Bürgi, die sich selbst als «ewige Studentin» bezeichnet, im historischen Museum und als Assistentin an der Uni. Doch die Archäologie erfüllte Bürgi nicht: «Archäologie ist keine exakte Wissenschaft, schlussendlich ist man 85% der Zeit am Scherbenzählen», gibt sie zu bedenken. Dann wirf Bürgi alles über den Haufen, kündigt den Job an der Uni und beim Museum und arbeitet fortan in der Behindertenbetreuung. Es ist gleichzeitig der Beginn ihrer publizistischen Tätigkeit: «Der Job erlaubte es mir, mehr Zeit dem Schreiben zu widmen». Bürgi druckt monatlich ein Heft für Bekannte und Freunde, welches sie selber schreibt. Umfang: stolze 40 Seiten pro Ausgabe. Bürgi lacht: «Das war quasi eine frühe Form des Blogs».

Mitte der Neunziger erhält Bürgi aufgrund eines Erbfalls die Möglichkeit eine Wohnung in der Postgasse zu kaufen. Seither ist sie in der Altstadt heimisch. Mittlerweile gab Bürgi im Heim, in dem sie angestellt war, auch noch eine Elternzeitschrift heraus und schrieb selber mit. Heute ist Bürgi pensioniert. Ihre Lust am Schreiben hat die Zeit freilich überdauert. Deshalb zögert Bürgi auch nicht lange, als ein ehemaliger Präsident des Leists der Untern Stadt (LUS) sie 2012 fragt, ob sie nicht für die Brunnezytig schreiben wolle.

Take Five

Die Brunnezytig erscheint wie die meisten Quartierzeitungen quartalweise. Sie wird seit 33 Jahren herausgegeben, mittlerweile mit einer Auflage von 4’700 Exemplaren, die allen Altstadtbewohnern und –bewohnerinnen frei Haus geliefert wird. Herausgeber sind die vereinigten Altstadtleiste, so nennt sich der Zusammenschluss der insgesamt fünf Leiste in der Altstadt. Von der Notwendigkeit die kleine Altstadt in fünf Leiste aufzuteilen ist Bürgi nicht überzeugt. «Stattdessen sollte man lieber alle Leiste zusammenlegen», findet sie. Ein Ausfluss der Fünfteilung ist die Partitionierung der Brunnezytig-Redaktion: Dem Impressum der Zeitung ist zu entnehmen, dass jeder Leist eine eigene Redaktion hat. Bürgi selbst ist Redakteurin des Leists der Untern Stadt LUS.

In der Altstadt vernetzt

Ihren ersten Artikel habe sie über die Dachkatzen der Altstadt geschrieben, sagt Bürgi. «Weil sie mir immer überall hingeschissen haben», prustet sie. In ihren ersten Jahren in der Postgasse habe sie die Kontakte zu den Leuten aus dem Quartier wenig gepflegt. Als sie 2012 der Brunnezytig beitrat und damit auch dem Altstadtleist, das war die Bedingung, vernetzte sie sich zunehmend. «Jetzt wohne ich hier wie in einem Dorf, das mag ich», sagt sie. Ansonsten erblickt Bürgi in ihrem Engagement bei der Brunnezytig aber vor allem die logische Fortsetzung ihrer Liebe zum Schreiben: Erst das Magazin für ihre Bekannten, dann die Elternzeitschrift und jetzt die Brunnezytig. Mittlerweile schreibt Bürgi einen beachtlichen Teil der Zeitung: in der aktuellen Ausgabe sind es immerhin vier Artikel. Am liebsten schreibe sie historische Texte. Ihren Hang zum Vergangenen hat sie sich quasi als Relikt aus ihrer Zeit als Archäologin bewahrt.

Zukunft trotz knapper Finanzen

Obwohl die ganze Redaktion ehrenamtlich arbeitet, steht die Finanzierung traditionsgemäss auf wackligen Beinen: seit 2014 sind die Einnahmen durch Inserate um 9’000 Franken auf 21’000 Franken pro Jahr gesunken. Und auch die Spenden sind nicht so zahlreich, wie man es sich wünscht. Folglich suchen Leiste und Redaktion nach Sparmöglichkeiten. So stehe beispielsweise das Verteilmodell zur Debatte, das pro Ausgabe knapp 5’000 Franken schlucke. «Wenn wir in den nächsten paar Monaten nichts bekommen, sind wir in einem Jahr draussen», erklärt Bürgi. Die Brunnezytig gäbe es dann in ihrer jetzigen Form nicht mehr. Trotzdem ist Bürgi optimistisch, denn gerade die voranschreitende Uniformierung im Zeitungsmarkt schaffe für die Lokal-und Quartierzeitungen eine neue Chance. Bürgi ist deshalb überzeugt, dass die Zukunft den kleinen Zeitungen gehöre.