Ein bescheidener und kluger Fussballstar

von Angelika Boesch 20. August 2015

Er war wieselflinker und ausdauernder Linksaussenstürmer, feierte grosse Erfolge als Fussballer. Robert Weil erzählt aus seinem bewegten Leben.

Robert Weil war erst 17 und noch in der Drogistenlehre, als er 1943 aktiver Spieler bei YB wurde. Mitten im Krieg. Für die Young Boys in Bern kein Problem, dass er Jude war. Bei GC in Zürich z.B. hatten jüdische Fussballer keine Chance zu spielen. «Ich habe mir dazu nie gross Gedanken gemacht», sagt Robert Weil, «an erster Stelle stand für mich sowieso der Fussball.» Antisemitische Sprüche habe er einfach weggesteckt, wie andere Verletzungen – «einmal habe ich sogar mit gebrochenem Wadenbein zu Ende gespielt. Ich war jung und hatte keine Zeit für Politik und auch kein Interesse daran», hält er fest.

In seiner Lehrzeit wurde keine Rücksicht auf seine Fussballkarriere genommen. Training und Spiele fanden abends und an Wochenenden statt. Über das grosse Geld, das heute im Fussball verdient wird, kann er nur schmunzeln: «Für einen Sieg gab es 50 Franken, für ein Unentschieden 30, und wenn wir verloren, bekamen wir gar nichts.» Auch das hat er weggesteckt, und es störte ihn nicht besonders, dass er einem Brotberuf nachgehen musste, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er wollte einfach nur spielen.

Spielend lernen

Nach dem Krieg spielte Weil als Gastfussballer beim FC Leicester City. Verdient habe er nichts als Ausländer, erzählt er. «Ein Mr. Samuel hat mich dafür gut betreut und für mein Wohl gesorgt.» Und Englisch habe er auch gelernt. Weil spielte danach beim FC Lugano – und lernte Italienisch. Beim FC Fribourg perfektionierte er sein Französisch. Danach kehrte er zu YB zurück und beendete dort 1956 seine aktive Fussballkarriere. Vier Mal nahm er mit der Schweizer Delegation an der Makkabiade (eine Art jüdische Olympiade) in Israel teil.

Nach seiner aktiven Zeit trainierte er jahrzehntelang die YB-Junioren. 1976 war er einer der Initianten der YBFussballschule. Als Dank für seine Verdienste erhielt er zwei Tribünenplätze auf Lebenszeit.

Noch heute besucht der inzwischen fast Neunzigjährige fast jeden YBMatch. «Es gibt immer noch Leute, die mich kennen und grüssen», erzählt er. «Ich muss aber keine Autogramme mehr geben», sagt er schmunzelnd.

Beruf und Familie

Vater Moritz Weil besass seit 1925 an der Moserstrasse in Bern eine Drogerie. Nach seinem frühen Tod wurde Robert Weil Verwalter, seine Mutter übernahm die Geschäftsleitung.

Bereits in der Lehre lernte Robert Weil seine spätere Frau Sophie, ebenfalls Drogistin, kennen. 1959 heirateten sie und übernahmen die Drogerie im Breitenrain. Robert Weil betont, dass er dank seiner tüchtigen Frau seine vielen fussballerischen Ehrenämter weiterführen konnte.

Sophie Weil stammte aus einer sozialistischen, nichtjüdischen Familie. Jede Art von Religion war für sie unwichtig. Trotzdem war sie bereit, die drei Kinder – zwei Töchter und ein Sohn – am jüdischen Gemeindeleben teilnehmen zu lassen.

Keines der Kinder wollte die Drogerie übernehmen. Weils sagen das mit viel Verständnis und ohne Bitterkeit. Robert und Sophie Weil verkauften deshalb das Geschäft. «Wir haben unseren Beruf gerngehabt», betonen beide.

Es ist schön hier

Heute wohnen Sophie und Robert Weil im Domicil Spitalackerpark. Nur wenige Meter weiter befanden sich ihre Drogerie und ihr Zuhause. Sie sind glücklich, auch im Alter in ihrem angestammten Quartier wohnen zu können. «Es ist schön hier. Im Spitalackerpark kennen wir viele und sie kennen uns – sei es als ehemalige Kunden oder als frühere Nachbarn», stellt Robert Weil fest.

Das Fussballstadion, in dem Robert Weil seine grossen Erfolge als Fussballer feierte – Schweizer Meister, Cupfinalsieger usw., ist auch ganz in der Nähe, auch wenn es nicht mehr das alte Wankdorf ist, sondern neu und Stade de Suisse heisst.

Vielleicht sind es die Lebensumstände und die Erfahrungen, die Robert Weil bescheiden gemacht haben und klug agieren liessen. Bescheidenheit und Klugheit strahlt der einstige Fussballstar noch heute aus.

Dieser Artikel erschien in «Domicil Zeitung», August 2015.