In Berns leeren Kassen soll es klingeln

von Edi Franz 20. März 2015

Sauberkeitsrappen, Tourismusrappen – hole das Geld dort, wo es herumliegt. Ein pointierter Zwischenruf zu zwei aktuellen Themen der Berner Politik.

Rappen Nr. 1: Sauberkeitsrappen

Nachdem die Stadt mit der Einführung zusätzlicher Gebühren für Take-Away-Betriebe gescheitert ist, wird nun mit verniedlichender Sprache eine Einnahmequelle gesucht, die von möglichst vielen Verpflegungs-Betrieben getragen werden soll. Die Bürger und Bürgerinnen Berns – oder wäre der Ausdruck «Benutzer Berns» besser? – scheinen sich nicht wirklich daran halten zu wollen, den Abfall in die überall bereitstehenden Abfallkübel zu deponieren. Das Allgemein­gut Boden scheint als solches wahrgenommen zu werden, allen Appellen und Bussenandrohungen zum Trotz. Die «Stadtbenutzer» gehen davon aus, dass ja eh nach der Mittagspause und dem Ausgang Kolonnen von städtischen Mitarbeitenden den liegen gebliebenen Müll mit Freude wegräumen – schliesslich soll doch jeder froh sein, dass er einen Job hat.

Repression ist gescheitert – nicht nur, weil es der dauerüberlasteten Polizei schlicht stinkt, ihre Zeit mit dem Büssen von Abfallwegwerfenden zu vergeuden (was ich durchaus verstehe), sondern auch, weil schlichtweg das Einsehen fehlt, dass dieses Wegräumen ganz schön ins Geld geht. Das Geld notabene, das jeder und jede (oder jedenfalls viele) mit der Begleichung der Steuerrechnung an die Stadtkasse überweisen. Das Geld, das bekanntlich an allen Ecken fehlt.

Geschäfte und Schulen zur Kasse bitten

Nun, wenn es aber partout nicht gelingen will, mit Repression und wohlgemeinter, positiv aufmunternder Werbung den Stadt­benutzer dazu zu bringen, seinen kleinen Anteil zur Sanierung der Stadtkasse mittels vorbildlichem Verhalten in Sachen Wegschmeissen zu leisten, dann sucht man sich halt andere Opfer. Es wird also vor etwas kapituliert, das man dann Gesellschaftsveränderung nennt.

Der Verursacher ist jetzt nicht mehr der oder die, welche den Abfall auf den Boden befördert, sondern der, welcher verkauft und verpackt. Dazu gehört nicht nur der Big-Mac in Schachtel und Tüte und das Red Bull in der Dose, sondern auch das Sandwich vom Beck und der Salat aus dem Bio-Laden. Und die sollen jetzt ebenso zahlen wie jene, die mit der neuen Wortschöpfung «Präsenzverursacher» umschrieben werden: Das sind Schulen und Betriebe ohne eigene Mensa mit mehr als 30 – 35 SchülerInnen oder Mitarbeitenden.

Profitieren durch Pfandgeschirr

Natürlich soll es auch ein Motivationsprogramm geben für die, welche mit Mehrweg-Verpackung arbeiten und das auch nachweisen können: Das Sandwich wird in einer Box anstelle einer Papiertüte überreicht, die trägt man dann bei sich und bringt sie beim nächsten Einkauf wieder zurück. Diese Betrie­be sollen für ihren Aufwand entschädigt werden.

Verzweifelt gesucht: Ein gerechter Verteilschlüssel

Unser Rechtssystem stellt mit Gleichheit für alle eine hohe Hürde, deshalb läuft nun die Stadtverwaltung zur Hochform auf: Sie befragt und erhebt Fakten, wägt ab, entwickelt Analysen, zieht Folgerungen und versucht mit grossem Aufwand, Eifer und gutem Verstand, einen gerechten Verteilschlüssel zu erfinden, welcher am Schluss als wohldrapiertes Menu den Schuldigen und auch den BürgerInnen vorgelegt werden soll. Notwendig wird auch ein Abrechnungssystem sein, welches Kontrolle und Überwachung ermöglicht. Aber der Teufel steckt bekanntlich im Detail, und darob sind die fleissigen Stadtmitarbeitenden nicht zu beneiden: Was ist politically correct? Die bösen Grossen soll man rupfen (aber die haben ja die Kraft, sich zu wehren), die kleinen Netten möchte man schonen (die haben wir ja soo gern). Dass aber das unter dem Aspekt der Gleichbehandlung kaum geht – das dürfte die verzweifelte Erkenntnis sein.

Der Geprellte im Umzug wird deshalb der oder die kleine Nette sein, die feine Salate und wunderbare Sandwiches unter die Leute bringt, aber diese nun teurer verkaufen muss (oder sie zahlen’s eben aus der eigenen Tasche) und auf die nun systembedingt einiger administrativer Aufwand zukommt.
Die Frage ist nur, ob nach Abzug des Aufwands für die Verwaltung des Sauberkeitsrappen-Programms noch etwas übrig bleibt, damit genügend Personal bei der Stadtreinigung eingestellt werden kann, um das Ziel «saubere Stadt» auch wirklich zu erreichen. Denn bei den eigentlichen Verursachern des Litterings wird sich mit der Einführung des Sauberkeitsrappens wohl wenig oder nichts ändern, ganz im Gegenteil: Die Strassenreinigung ist ja jetzt vorfinanziert…

Rappen Nr. 2: Tourismusförderabgabe

Mit einer sauberen Stadt schaffen wir die Voraussetzung, dass auch die BesucherInnen unserer Unesco-Welterbe-Altstadt ihre wahre Freude an diesem Schmuckstück haben. Dafür, dass diese in Scharen die Altstadt fluten, ist hauptsächlich Bern Tourismus zuständig. Und diese Institution macht ihren Job nun wirklich gut, sonst würden sich nicht Touristenbusse vor dem Bärengraben und auf dem Theaterplatz vor dem Poller stauen und kamerabewehrte Scharen um zwölf Uhr den Zytglogge belagern, um unserem Hans von Thann auf den Schlagarm zu schauen, ob er jetzt die Glocke tüpft oder nicht.

Nun hat der Stadtrat unter Spardruck die Subvention für die erfolgreiche Institution Bern Tourismus gekürzt. Selbstverständlich mit der Folge, eine neue Einnahmequelle finden zu müssen, denn gratis ist das Werben um Touristen nicht zu haben. Nach dem Sauberkeitsrappen gilt deshalb das Augenmerk nun dem «Tourismusrappen» – um bei der verniedli­chen­den Bezeichnung zu bleiben. Denn offiziell nennt sich dieses Gebilde TFA: Tourismus-FÖRDERABGABE.

Abgabe soll den Aufschwung sichern

Interlaken kennt sie, Luzern kannte sie (und hat sie wieder abgeschafft!), warum also sollte Bern da zurückstehen? Steht dahinter doch die Idee: Mit der Tourismusförderabgabe den wirtschaftlichen Aufschwung fördern. Nur: Wer sich umschaut in den tourismusabgabengeförderten Orten, der entdeckt in diesen Zentren zwar florierende Uhrengeschäfte, Souvenierläden, Take-Aways und ungezählte Filialbetriebe der Textil­- und Schuhbranche. Nur die kleinen, individuellen Betriebe, die Familienunternehmen, die sind kaum noch zu entdecken, sie sind – im Namen des Aufschwungs – offenbar verzichtbar geworden. Gemäss kantonalem Volkswirtschaftsamt ist übrigens die Einführung der TFA nur dann berechtigt, wenn der Anteil an der Wertschöpfung und Beschäftigung in einer Gemeinde mehr als 50% beträgt – das dürfte für Bern wohl in keiner Weise zutreffend sein.

Auch hier: Die Krux mit dem Verteilschlüssel

Damit dieser Prozess auch in Bern erfolgreich eingeleitet werden kann, braucht es also zunächst erst einmal Geld. Aber wo anklopfen? Die Hotels und Restaurants – als Hauptnutzniessende – tragen ihren Obolus bereits bei. Deshalb ist es naheliegend, dass auch die anderen Geschäftstreibenden angezapft werden sollen. Und schon sind wir wieder bei der gleichen Problematik wie beim Sauberkeitsrappen: Wie soll beurteilt werden, wer auf dem gesamten Gemeindegebiet (Gleichstellung!) wie viel vom Tourismus profitiert und sich dem­entsprechend an den Kosten beteiligen muss? Der Touristenstrom bewegt sich auf ausgetrampelten Pfaden. Das Souveniergeschäft an der Kramgasse profitiert wesentlich mehr als jenes in der Länggasse. Der Uhrenladen und das Goldschmiedeatelier mehr als das Einrahmungsgeschäft oder Grafik-Atelier. Die TFA soll deshalb in der tourismusrelevanten Innenstadt erhoben werden, aber auch hier stellt sich die Frage, welche Branchen mehr oder weniger vom Tourismus profitieren –ihren Beitrag leisten sollen schlussendlich alle, ob Grafik- oder Architekturbüro, Arzt- und Therapiepraxis oder Fitnesscenter.

Aufwand frisst Ertrag?

Wieder Stoff für Analysen, Umsetzung, Verwaltung und Durchsetzung. Nur: Die Ressourcen für diese Aufgabe gibt es gar nicht, die müssen erst geschaffen werden. Auch in Form von Stellenprozenten bei der Stadtverwaltung. Hinter vorgehaltener Hand rechnet man damit, dass zwei Drittel der Einnahmen durch die Organisation und Verwaltung gleich wieder aufgefressen werden.

Fazit: An sich lobenswert, mehr Einnahmen für einen wirtschaftlich wichtigen Bereich der Berner Volks­wirtschaft generieren zu wollen. Doch bei der TFA steht das Verhältnis von Ertrag und Aufwand in keinem Verhältnis. Vor allem unter dem Aspekt, dass der Ertrag der Tourismusförderung zufliesst, während der Aufwand die Stadtkasse und somit die Steuerzahlenden und die davon nicht profitierenden Betriebe zusätzlich belasten wird.