Am gleichen Tropf

von Christian Pauli 23. Juli 2014

Der Sommer von Christian Pauli: Campen in Norditalien bringt vermutlich mehr Integration mit sich, als jede teure EU-Massnahme.

Normalerweise steigen wir im Herbst in dieser Gegend ab. Am Orta-See, wo sich Patina- und neureiche Villen dem Ufer entlang aufreihen wie Perlen einer protzigen und zugleich putzigen Kette, steht uns eine hübsche Wohnung und ein dazu gehöriger, Ende September schon völlig verlassener Park zur Verfügung. Aber eben, Herbst. Heuer verlief die Planung anders, und ich finde mich, mit meinen Kindern, nur 25 Kilometer entfernt, im totalen Kontrastprogramm wieder. Zeltlen am Mergozzo-See, mitten im Juli. Mitten unter Menschen – made in Europe – und Gerätschaften – made in China -, die hierher hingekarrt worden sind.

Jetzt sind wir hier eingeklemmt zwischen einer Kleinfamilie aus Österreich und einer Sippe aus Holland, die ihre  Wohnmobils ans Ufer dieses grünen und sauberen Sees geparkt haben. Dazwischen ist Platz für unser neues Zelt, eine Art modernes Iglu, made in Norway. Weiter weg residieren Deutsche, und natürlich hat’s auch ein paar Schweizer, die aus ihren Automobilen alles Erdenkliche für einen komfortablen Camping-Aufenthalt zerren. Jetzt hat der Mann neben uns, der er sich mit das Wirtschaftsmagazin Brand Eins im Liegestuhl gemütlich macht, eben die Nespresso-Maschine angeworfen: wie vertraut doch dieses pumpende Geräusch ist, das auch meinen Büroalltag begleitet. Egal ob aus Bregenz oder Bern, wir hängen am gleichen Tropf. Georg Clooney, der auf dem nahen Comersee seine Jachtrunden dreht, winkt für uns alle.

Aber hier ist tendenziell auch Lidl. Camping-Kosmos aus dem Discounter. Eine Familie aus Wolfenschiessen hat sich im Caravan ennet dem Wägli niedergelassen. Bei denen ist alles rosa oder violett, zumindest die beiden kleinen Kinder. Der Vater saugt derweil an einer krummen Brissago. Irgendwie tröstlich, dass es das noch gibt. Dies hier ist ein kleiner Camping. Im Shop gibts neben den obligaten Cola-Büchsen biologische Limonade zu kaufen, und der Abfall, der hier in nicht unbeträchtlichem Ausmass anfällt, wird fein säuberlich getrennt gesammelt.

Wir sind in Norditalien, man darf hier ruhig sagen: ein sauberes, gut eingerichtetes und selbstverständliches Europa. Campen ist das perfekte Programm dazu. Ja, vermutlich bringt campen mehr Integration mit sich als jede teure EU-Massnahme. Wir Schweizer gehören ganz selbstverständlich dazu, in dieses Programm des kulturellen Mittelmasses. Ich meine dies nicht abwertend: am Orta-See wähnen sich die Reichen nur in einer vermeintlichen Exklusivität. Die kulturellen Unterschiede sind, das ist für mich die Erkenntnis dieser paar Tage Hochsommer im Zelt, nur gering.