Streit in der Leitung der Gotthelf-Edition

von Fredi Lerch 26. Mai 2014

An der Universität Bern arbeitet man seit fast zehn Jahren an einer historisch-kritischen Gotthelf-Ausgabe. Unterdessen liegen 11 «von zirka 67» Bänden vor. Jetzt hat sich die Editionsleitung Zeit genommen für einen Machtkampf.

Seit neuneinhalb Jahren wird an der Universität Bern an einer historisch-kritischen Edition von Jeremias Gotthelfs Werken gearbeitet. Die Anschubfinanzierung von 12 Millionen Franken leisteten je zur Hälfte der Kanton Bern (aus dem Lotteriefonds) und der Schweizerische Nationalfonds. Seit 2012 sind insgesamt elf Bände erschienen. Am Schluss sollen es «zirka 67» sein. Für jene, die das Projekt leiten, ist die Edition eine Lebensstelle; für jene, die sie bezahlen, ein Fass ohne Boden; für Gotthelf ein verwunschenes Mausoleum, das bei Band-Preisen zwischen 148 und 396 Euro (Olms-Verlag) kaum jemand von innen sehen wird.

Gearbeitet wird in zwei Projektteams. Das Team A bearbeitet unter der Leitung von Professor Barbara Mahlmann-Bauer nach der politischen nun die pädagogische Publizistik Gotthelfs; das Team B unter der Leitung des Privatdozenten Christian von Zimmermann die Predigten des Pfarrers Albert Bitzius, zudem wird am Kommentar zum bereits publizierten Roman «Jacobs, des Handwerksgesellen, Wanderungen durch die Schweiz» geschrieben.

Das Machtwort des Rektors

So ist es nachzulesen auf der Homepage des Projekts und so war es bisher auch. Unterdessen ist es so: von Zimmermann wird alleiniger Projektleiter, eine seiner Team-Mitarbeiterinnen, Dr. Patricia Zihlmann-Märki, wird seine Stellvertreterin; Professor Mahlmann (*1954) hat mit der Leitung nichts mehr zu tun und führt bis zur Emeritierung noch ihren Projektteil weiter.

Was ist geschehen? Am 28. Februar 2014 schreibt Professor Dr. Martin Täuber, Rektor der Universität, einen unübersehbar verärgerten Brief an Mahlmann und von Zimmermann. Die beiden sind zu diesem Zeitpunkt derart zerstritten, dass die weitere Zusammenarbeit infrage gestellt ist und ihnen das Rektorat die Unterstützung der Organisationsentwicklerin Lisa Müller hat vorschlagen müssen.

Grund des Streits: Seit August 2012 hat man für das Projekt ein alternatives Organisationsmodell diskutiert, um die nicht unproblematische Doppelführung zu ersetzen. Im Dezember 2012 stimmte die Gotthelf-Stiftung einer neuen, einheitlichen Projektleitung und der Stelle einer Leitungsassistenz zu.

Gemeinsame Basis fehlt

Vierzehn Monate später dauert der Streit aber immer noch an und der Rektor rapportiert die erste Einschätzung der Organisationsentwicklerin: «Frau Müller hat grundsätzlich Interesse, dieses Mandat zu übernehmen. Sie hat allerdings festgestellt, dass es enorm schwierig ist, eine gemeinsame Basis und darauf aufbauend einen gemeinsamen Konsens zwischen ihnen Beiden zu finden.»

Dabei hat man gar keine Zeit für eine solche Gesprächstherapie, denn am 5. Februar hat der Schweizerische Nationalfonds einen «Call für Editionsprojekte» veröffentlicht, in dem es heisst: «Für Verantwortliche laufender Editionsprojekte, für die eine Finanzierung ab 2017 beantragt werden soll, ist die Teilnahme an diesem Call eine zwingende Voraussetzung.» Eingabefrist: 1. Juni 2014.

In dieser Situation spricht Rektor Täuber ein Machtwort: Die Supervisorin Müller kommt gar nicht zum Einsatz und die Streitenden werden dazu verknurrt, sich bis zum 10. April zusammenzuraufen und «einen gemeinsamen, ausformulierten, verbindlichen Vorschlag» vorzulegen, «wie sie das Projekt der Gotthelf-Edition künftig organisatorisch aufgleisen wollen».

Die neue Leitungsstruktur

Wie der Konsens dann zustande gekommen ist, ist nicht bekannt. Aber mit Datum vom 2. April 2014 erhält Täuber ein dreiseitiges Schreiben, unterzeichnet durch von Zimmermann, Mahlmann und Zihlmann-Märki, in dem einleitend festgehalten wird, man sei sich «der Verantwortung für dieses Projekt bewusst, nicht zuletzt weil es sich um ein weithin in der Öffentlichkeit bekanntes Forschungsprojekt der Universität» handle.

In sieben Punkten wird danach das weitere Vorgehen dargelegt und zwar als ein «einvernehmliches Ergebnis». Der wichtigste Punkt: «Für das Projekt soll eine neue Leitungsstruktur etabliert werden. Als Leitung des neuen Gesamtprojektes steht Christian von Zimmermann zur Verfügung.» Und weiter: «Als stellvertretende Projektleiterin empfehlen wir Frau Patricia Zihlmann-Märki.» Für die Mitarbeitenden von Mahlmanns Projektteam gilt: «Massgeblich für eine Weiterbeschäftigung ist in jedem Fall neben der nachgewiesenen fachlichen Eignung auch die Bereitschaft, im Gesamtteam mit den neuen Leitungsstrukturen kooperativ im Team mitzuarbeiten.» Zu deutsch: Wer mit der Rückstufung von Mahlmann und dem neu ernannten Chef ein Problem hat, soll gehen.

Rektorat ist einverstanden

Am 28. April hat Täuber diesen Brief wie folgt beantwortet: «Nach eingehender Diskussion hat die Universitätsleitung dem Vorschlag zu einer neuen Leitungsstruktur des Projektes zugestimmt. Sie erteilt daher Herrn PD Dr. Christian von Zimmermann und Frau Dr. Patricia Zihlmann-Märki den Auftrag, die inhaltliche, organisatorische, personelle und finanzielle Planung des Projektes gemäss der Eingabe vom 2. April 2014 zu übernehmen.»

Formell soll die neue Leitungsstruktur ab dem 1. Januar 2015 funktionieren. Bereits heute kann allerdings Professor Mahlmann dem Vernehmen nach für ihr verbliebenes Rumpfprojekt nicht einmal mehr die Pflichtenhefte für ihre Teammitglieder schreiben ohne den Segen des Privatdozenten von Zimmermann. Und die Universitätsleitung brütet über den Vorschlag, für von Zimmermann eine «Stiftungsprofessur für Editionsphilologie mit Schwerpunkt Gotthelf-Edition» einzusetzen.

Ein Machtkampf mit klarem Sieger und klarer Verliererin also. Neben den fachlichen Differenzen ging es wohl auch um persönliche Unverträglichkeiten. Und natürlich ging es ums Geld.